Skepsis gegenüber Verwaltungsvorschlag
Morgen entscheidet der Kreistag über die zukünftige Gestaltung der Arbeitsvermittlung
Von Stefan Carl
Heide – Für die Betreuung von Hartz-IV-Empfängern ist in Dithmarschen seit fünf Jahren die Arbeitsgemeinschaft (Arge) Dithmarschen zuständig. Bei Argen handelt es sich um Mischverwaltungen, da in ihnen Kommunen oder Kreise und die Agentur für Arbeit zusammenarbeiten. Genau das hat das Bundesverfassungsgericht vor zwei Jahren für verfassungswidrig erklärt. Nun muss bis Ende dieses Jahres eine neue Regelung gefunden werden. Welchen Weg Dithmarschen geht, soll morgen der Kreistag entscheiden.
Dem Kreistag stehen zwei Möglichkeiten offen: Die bisherige Zusammenarbeit mit den Argen wird fortgesetzt und ausgebaut – was ermöglicht wird durch eine für den 9. Juli erwartete Änderung des Grundgesetzes.
Die andere Variante nennt sich Option. Der wesentliche Unterschied zur Arge besteht darin, dass die bisherigen Aufgaben von den Arge-Mitarbeitern ausschließlich unter dem Dach des Kreises verrichtet werden. Dafür würden die befristet angestellten Arge-Leute in unbefristete Beschäftigungsverhältnisse beim Kreis überführt. Landrat Dr. Jörn Klimant Klimant und der Leitende Kreisverwaltungsdirektor Malte Spitzer sprachen sich eindeutig für die Option aus. „Die Arge hat hervorragend gearbeitet, darum geht es nicht. Der Prüfstein ist, welches die optimale Organisationsform in diesem Bereich ist“, sagte der Landrat. Spitzer formulierte es so: „Wollen Sie den regionalen Arbeitsmarkt selber steuern oder nicht?“
Eines der Argumente, die der Landrat wie auch politische Befürworter der Option ins Feld führten, war die Zukunft der Arbeitsagentur in Heide. Mit dieser arbeitet die Arge eng zusammen. Wenn man an dem Arge-Modell festhalte, wäre es von Vorteil, sich den Bestand der Heider Agentur garantieren zu lassen. „So eine Garantie gibt uns die Bundesagentur aber nicht“, hatte Klimant vor wenigen Tagen erfahren. Für den Fall einer Option sei ihm seitens der Bundesagentur zudem klar gemacht worden, dass die Arbeitsagentur Heide um die Hälfte ihrer 200 Mitarbeiter reduziert werden und eines Tages nur noch der Außenposten einer anderen Agentur sein könnte.
Die Pro-Option-Argumente verfingen bei der Mehrheit der Ausschussmitglieder nicht. Vor allem Karsten Wessels (SPD) brach die Lanze für das Arge-Modell und nannte Zahlen, nach denen die Argen deutlich bessere Erfolge bei der Arbeitsvermittlung erzielen als Optionskreise. Seine Vermutung, die Kreisverwaltung würde mit der Option vor allem ihren eigenen Bestand absichern, wies der Landrat von sich und bat deutlich um das Unterlassen polemischer Attacken in dieser wichtigen Frage.
Anderen Politikern wie Katrin Schulz (CDU) und Veronika Kolb (FDP) waren die bis zu 700 000 Euro, die die Umstellung von Arge auf Option den Kreis kosten würde, ein zu großes Risiko.
Schulz merkte zudem an, dass größere Gestaltungsmöglichkeiten der kommunalen Ebene – das war für Klaus Kronberg (Grüne) das Hauptargument für die Option – gar nicht gegeben seien. „Auch bei der Option geben Bund und Land Zielvereinbarungen vor, die wir konkretisieren dürfen. Da handeln wir auch nicht selbstständig und eigenverantwortlich.“
„Warum hat die Verwaltung uns nicht schon früher zur Option geraten“, wollte Kolb wissen, woher die plötzliche Vorliebe stamme. Aufgrund der seinerzeit schlechten Informationen habe er mit einem Minus für den Kreis von einer Million Euro jährlich gerechnet, so Spitzer. Mittlerweile habe sich die Berechnungsgrundlage zum Vorteil der Option geändert.
Die Mehrheit der Ausschüsse ließ sich jedoch nicht überzeugen. Hubert Poburski, für die Linke im Kreistag, brachte es auf den Punkt: „Wenn die Arge so gut arbeitet, warum sollten wir uns von ihr trennen?“ Von 21 Stimmberechtigten sprachen sich am Ende 16 für die Arge und 10 für die Option aus – ein deutliches Signal für die morgige Abstimmung im Kreistag.
Sehr geehrter Herr Klimant,
seit Jahren mache ich eine Beratung für Erwerbslose hier in Dithmarschen und begleite die betroffenen Menschen zur Arge Dithmarschen um vor Ort Wiedersprüche zu klären.
Nach dem im Kreistag die Diskusion geführt wurde, wie die Zukunft der Arbeitsgemeinschaft aussehen sollte und der überwiegende Teil der Kreistagsmitglieder, einschließlich der Linken, mit der Arbeit der Arge zufrieden ist, fühle ich mich heraus gefordert zu den tatsächlichen Zuständen etwas zu schreiben.
Ich war schon ein wenig geschockt, über diese öffentliche Diskusion, die anscheinend die tatsächlichen Verhältnisse nicht zur Kenntnis nehmen möchte. Zur Klarstellung, muß ich allerdings einräumen, dass solche Zustände nicht nur in Dithmarschen herrschen, da ich diese Beratung auch schon in NRW gemacht habe.
Es sind keine Einzelfälle, sondern es ist die Regel, dass Erwerbslose permanent hinter ihren wenigen Leistungen hinter her laufen müssen und oft Monate lang keinerlei Einkommen haben. Die Pobleme die dadurch entstehen, wie z.B. Kündigungen wird alleine auf den Rücken der Betroffenen ausgetragen. Wiedersprüche und Dienstaufsichtsbeschwerden, werden regelmäßig auf die lang Bank geschoben. Rechtswidrige Kürzungen und Einschüchterungen werden allerdings zügig durchgezogen. Bespitzelungen und andere Gängelungen sind auch an der Tagesordnung. Die Liste von Rechtsvergehen und Menschenverachtungen ist Ellenlang. Dieses Alles ist den Mitarbeitern und der Führung seit Jahren bekannt. Bei einem persönlichen Termin einer Führungsperson der Arge, wurde mir dieses ehrlicherweise auch bestätigt.
Um so unverständlicher ist mir, dass die politischen Verantwortlichen hier im Kreis und in der Verwaltung, nicht die geringste Ahnung von diesen Missständen haben. Natürlich gibt es auch Mitarbeiter in der Arge, die versuchen, dass die Erwerbslosen zu ihrem Recht kommen. Damit dieser Wildwuchs in der Arge beendet wird, gibt es nur die politische möglichkeit, erst einmal alle Tatsachen ohne Verschleierung auf den Tisch zu bringen. Außer dem, gibt es ja auch Ratsmitglieder die selber davon betroffen sind oder was noch viel schlimmer ist, einen Posten in der Verwaltung hatte (Carsten Wessel). Also wenn man ehrlich wäre, wäre es nicht schwehr gewesen, diese Missstände zu erfahren. Ich kann nur hoffen, dass dieser offene Brief in der Öffentlichkeit diskutiert wird und man sich ernsthaft an die Aufarbeitung begibt.
Auch das gehört zur Wahrheit, dass es kein Amt gibt, das bei den Betroffenen so verhasst
ist, dass es auch regelmäßig zu Übergriffen kommt. Hier besteht ein großer politischer Sprengstoff, der verhältnismäßig leicht zu entschärfen wäre, wenn man diese sogenannten Kunden der Arge wie demokratische Menschen behandeln würde. Nebenbei, geht es nicht nur um die rechtliche Einschätzung, sondern man muss im Nachherein nach 5 Jahren auch sehen, dass Hartz IV das größte Armutsprojekt in Deutschland war auch stärker als das jetzt angedachte, unsoziale Sparpaket.
Zusammenfassend ist dieses Verarmungsprogramm gescheitert und hat die Spaltung der Gesellschaft extrem beschleunigt.
Mit ehrlichen Grüßen
Horst Bartels