Hallo, meinen bescheidenen Beitrag zum Heft 3/ 2004 der Zeitschrift Dithmarschen schicke ich euch leider sehr kurz vor unserem heutigen Treffen aber trotzdem zu, vielleicht liest ihn ja noch jemand vorher.
Gruß Jochen
Anmerkungen zu: Martin Gietzelt: "Die Gedenkstätte Gudendorf - Neue Forschungsergebnisse" Dithmarschen Heft 3 September 2004
Auftragsvergabe, Interesse der Auftraggeber und die Freiheit der Forschung
Jemand, der einen Auftrag vergibt verbindet damit seine eigenen Interessen. Derjenige der den Auftrag annimmt und auszuführen versucht, nimmt diese Interessen zur Kenntnis und prüft, ob sie mit den seinen vereinbar sind. Ist das nicht der Fall kann er schwerlich den Auftrag nach den Vorstellungen des Auftraggebers erledigen. Wer bei einem Tischlereinen Esstisch in Auftrag gibt, kann sich nicht mit einem Tisch von 20 cm Höhe zufrieden geben. Die Gestaltungsfreiheit des Tischlers bewegt sich nur im Rahmen der Vorstellungen des Auftraggebers.
Der Auftraggeber hat genaue Vorstellungen vom Ergebnis der Arbeit des Tischlers und der Tischler wird Anerkennung und Lohn nur erhalten, wenn er das liefert, was man von ihm will.
Eine Forschungsarbeit ist kein Esstisch und die Gestaltungsfreiheit eines Tischlers ist nicht die Freiheit der Forschung eines Forschers. Dennoch gibt es Parallelen.
Im Vorwort zu dem o.a. Aufsatz beschreibt Frank Trende, leitender Redakteur der o.a. Zeitschrift Dithmarschen den Auftrag so: 1996 habe es schon eine Veröffentlichung zum Gefangenenlager Gudendorf und zur Gedenkstätte gegeben. Diese habe aber trotz positiver Resonanz viele unbeantwortete Fragen hinterlassen. Die offenen Fragen sollten so weit wie möglich beantwortet werden. Martin Gietzelt habe den Auftrag des Vereins für Dithmarscher Landeskunde erhalten, die historischen Hintergründe Gudendorfs auszuleuchten. Trende schreibt weiter: "In der Vergangenheit stand die monströse Zahl von 3000 Toten im Bewusstsein der Menschen, die sich mit Gudendorf beschäftigten." Wer eine Zahl von 3000 Toten in einem Kriegsgefangenenlager monströs findet, möchte gerne, dass die Forschung ein zahlenmäßig wesentlich erträglicheres Ergebnis hervorbringt.
Die oben zitierten "offenen Fragen" scheinen sich ausschließlich auf die Anzahl der Toten zu beziehen. Andere auch offenen Fragen nach den Lebensbedingungen, nach dem Verhältnis der Gudendorfer zum Gefangenenlager, nach dem Bewachungspersonal, nach den Unterkünften u.v.m.
werden nicht genannt.
An anderer Stelle hat der stellvertretende Bürgermeister von Gudendorf an der Gedenkkundgebung zum 8. Mai 1999 Herr Thomsen in seinem Grußwort erklärt, er hoffe, dass durch die Forschungsarbeit von Martin Gietzelt das schlechte Licht auf Gudendorf bereinigt werde.
Der Auftrag ist eindeutig:: Die Forschungsarbeit soll hinsichtlich der Anzahl der Toten die Gewissen der Gudendorfer, der Mitglieder der Redaktion des Vereins für Landeskunde und sicher die Gewissen noch vieler anderer erleichtern.
Eine Zahl von 100 Toten gegenüber der Zahl von 3000 bringt eine solche Erleichterung: Trende: "Jeder Tote war dabei zuviel. DAs ist gar keine Frage. Und doch ist die Dimension eines solchen Lagers von Belang dafür, wie schwer die Vergangenheit auf den Seelen der überlebenden, der Nachgeborenen, der Nachbarn im Ort und der Region lastet."
Es geht also eindeutig darum mit diesem Forschungsauftrag die Anzahl der Toten in eine die Seelen weniger belastende Größenordnung zu bringen.
Der Forscher und Meldorfer Historiker hat diesen Auftrag angenommen und sich auf die Zahlen toter Kriegsgefangener konzentriert. Er hat festgestellt, .... "dass das Wissen über die Hintergründe das Todes von sowjetischen Kriegsgefangenen und über deren Anzahl sehr gering ist. Dies zu verändern hat sich die vorliegende Arbeit zum Ziel gesetzt...."
Ich halte es ist ein Verdienst des Verfassers der vorliegenden Arbeit, eine Reihe von bisher nicht bekannten Kriegsgefangenen, die in Gudendorf "umkamen" (auf welche Weise - auch das gehört zu den offenen Fragen) oder ermordet wurden namentlich benennen zu können. Damit ist ein Schritt zur Aufhellung des Schicksals der Kriegsgefangenen in Gudendorf getan.
Dabei sollte es aber auch bleiben. Da längst nicht alle Dokumente gesichtet und viele Zeitzeugen schon verstorben sind wird man höchstens sich dem wahren Ausmaß des Elends in Gudendorf annähern können. Die vorliegenden Ergebnisse als annähernd endgültig auszugeben, wäre auch für belasteten Seelen kein Trost. Weitere Forschungsarbeiten könnten zu völlig anderen Ergebnissen kommen. Angesichts von 3 Millionen in deutscher Gefangenschaft umgekommener sowjetischer Kriegsgefangener und noch einmal so vieler Kriegsgefangener, die auf dem Transport nach Deutschland umgekommen sind, gibt es keine Entlastung.
Falls noch einmal ein Forschungsauftrag vergeben werden sollte, müsste er präzisiert und vor allem ergebnisoffen angelegt sein.