Die Globalisierung zeigt sich an der Westküste am brutalsten.

"Wir brauchen eine gute Mischung zwischen bewährten ausländischen Erntehelfern und Einheimischen." Unverschnörkelter kann man Rassismus und Sklavendenken wohl nicht ausdrücken. Der SPD- Abgeornete Jörn Thiessen empfahl das im Rahmen seiner Betriebspraktika in landwirtschaftlichen Betrieben. Er hällt es auch für zumutbar für jemanden, der nicht jeden Tag unter körperlicher Belastung arbeiten müsse. Damit erhöht er den Druck auf die Arbeitslosen an der Westküste höchstpersönlich. Keine überraschung für ein Mitglied in der Partei, die verantwortlich ist für Harz IV. Ich rufe alle Abgeordneten auf, diesem Beispiel zu folgen und als Erntehelfer zu arbeiten, aber nicht nur eine Woche. Dann tun sie auch mal was Sinnvolles.

Mit scharfer Klinge über Dithmarschens Kohlfelder

Für deutsche Erntehelfer beginnt langsam die harte Saison

Dithmarschen (ti) In den kommenden Wochen stehen zahlreiche Männer mit Gummistiefeln das erste Mal in ihrem Leben auf einem Kohlfeld. Mit einem scharfen Messer bewaffnet schlagen sie sich durch die scheinbar endlosen Gemüsereihen. Es sind deutsche Erntehelfer - von der Agentur für Arbeit vermittelt.

60 Arbeiter sind seit April von der Heider Agentur an die Landwirte vermittelt worden. Aus einem auf Eignung geprüften Bewerberpool kann momentan noch auf 89 Erntehelfer zurückgegriffen werden. Nachfrage besteht. Zehn freie Stellen waren gestern der Agentur gemeldet. Der Bedarf wird steigen, denn „die Kohlernte läuft jetzt erst langsam an”, erzählt Karl-Albert Brandt vom Dithmarscher Gemüsebauernverband. Haupterntezeit ist im Oktober.

Foto: Tiessen Harte Arbeit: Kohlkopf für Kohlkopf ernten diese polnischen Aushilfskräfte auf dem Feld von Henning Thießen in Christianskoog. Foto: Tiessen

5,91 € brutto

Dithmarscher Kohl-Bauern haben im vergangenen Jahr rund 2100 Saison- Arbeiter beschäftigt - vorwiegend Polen. Für dieses Jahr hat die Bundesregierung gefordert, 10 bis 20 Prozent der Erntehelfer mit Langzeitarbeitslosen zu besetzen. Die Heider Arbeitsagentur setzt jedoch auf Belohnung statt auf Zwang. Die Motivationsidee: Neben ihrem Tariflohn von 5,91 Euro brutto pro Stunde zahlt die Agentur 200 Euro monatlich dazu. Deutsche Erntehelfer, die bis zum Ende der vereinbarten Beschäftigungsdauer durchhalten, bekommen außerdem eine „Treueprämie” von weiteren 200 Euro für jeden Monat auf dem Kohlfeld.

In den nächsten Wochen wird sich zeigen, ob die Idee erfolgreich ist. „Die richtige Belastungsprobe kommt ja erst noch”, sagt Brandt. Bisher seien die Rückmeldungen positiv, heißt es. Auf dem Hof von Gemüsebauer Christian Ufen in Kronprinzenkoog läuft alles nach Plan. Seit Mitte April arbeitet Marko Osnabrügge (25) auf Ufens Kohlfeldern. Inzwischen arbeiten bei Ufen noch zwei weitere deutsche Erntehelfer, und in der nächsten Woche kommt der Vierte hinzu.

Seine „Erfahrungen mit den Deutschen sind positiv, mit ihnen bin ich viel flexibler”, erklärt Ufen. Er überlegt sogar schon, ob er im nächsten Jahr mit drei Deutschen in die Saison geht. Aber auf die Polen verzichten kann er nicht. Zehn polnische Helfer sind in diesen Tagen bei Ufen beschäftigt.

Für 2007 plant Schleswig-Holsteins Arbeitsminister Uwe Döring (SPD) in Dithmarschen und Nordfriesland die Gründung einer neuen Beschäftigungsgesellschaft. Die Idee: Sie stellt Langzeitarbeitslose als Saisonarbeiter für die Ernte ein. Die Gesellschaft schließt mit den Landwirten Werkverträge über Ernteleistungen. Damit tragen die Bauern nicht mehr das Risiko, ob ein angeforderter Erntehelfer auch kommt. Wenn einer ausfällt, stellt die Beschäftigungsgesellschaft sofort Ersatz.

Ähnlich handelt die Heider Arbeitsagentur bereits. Was die Idee bringt, wird sich nach der Ernte zeigen. Bis gestern lag die Durchhaltequote bei 85 Prozent. In den vergangenen Jahren lag sie bei etwa 50 Prozent, erzählt Rainer Flügge, zuständiger Mitarbeiter von der Agentur für Arbeit. Aber: die harte Saison kommt erst noch.

Boyens Online - Dithmarscher Landeszeitung