Der "Maler" Hans Groß

1. Buchbesprechung

Kay Dohnke über Bärbel Manitz und Thomas Greifeld (Hrg.): KuNSt ohne Museum. Beiträge zur Kunst in Schleswig-Holstein 1933 - 1945. Heide: Verlag Boyens & Co. 1993. 290 S. m. zahlr. Abb.

Elisabeth Vorderwülbecke liefert eine präzise Einzelstudie zum "Altar der Arbeit" des Heider und später Bremer Künstlers Hans Groß.

Ausführlich wird das Bemühen demonstriert, die in Frage stehenden Objekte mit dem Instrumentarium einer fast formelhaften Fachsprache möglichst exakt, "objektiv" zu beschreiben, was letzlich aber nur dann gelingt, wenn ein Bild, ein Haus, ein Gegenstand dem Laien auch im Foto gezeigt wird (denn was soll man sich etwa unter "Die Backstein-Plattenrustika an den etwas stumpf-steilen Eingangsrisaliten nur noch harte Reduktionsformen der traditionellen barocken Querrustika" (S. 160) vorstellen?). Fast immer nebulös bleiben aber ideologische Charakteristika, wohlgemerkt vor dem zeitgeschichtlichen Hintergrund. Zwar werden mit großer verbaler Geste immer wieder Verbindungen zur Weltanschauung jener Zeit unterstellt, doch kommt der Nachweis nicht zustande, da der konkrete Reflex auf die Kultur und Kulturpolitik während der nationalsozialistischen Herrschaft trotz vereinzelter Nennung von Namen oder Ereignissen meist zu kurz kommt.
Und hier liegt denn auch das Hauptdilemma des Bandes: überwiegend wird ahistorisch argumentiert, fehlt die konkrete Einbettung in die politischen Geschehnisse. Kunst in Schleswig-Holstein - war das wirklich eine "reine", schöpferische, ideologie- und politikfreie Betätigung, über die 1933 gnadenlos die Nazis herfielen?
Und so treten die politische und die Kulturgeschichte nur selten hervor, jener Hintergrund, auf den die Diskussion der sich wandelnden Formen, Motive, Techniken doch projiziert werden müßte, wenn die hier präsentierten Ausführungen ein Beitrag zur Erhellung historischer Vorgänge und Zusammenhänge sein sollten.

Vom "Nordischen" ist da die Rede, vom "Niederdeutschen", von "Heimatkunst", vom "Urgermanischen" und eben von der "Scholle". Gewiß alles Faktoren, die in einer solchen überblicksdarstellung wichtig sind, nur erkennt Manitz nirgends deren eminent ideologischen Charakter; sie beschreibt diese Leitgedanken aus dem Verständnis damaliger, vor-nationalsozialistischer Zeit, nimmt für gegeben an, was unbedingt differenzierter Ideologie-Kritik bedürfte.

Hier zeigt sich nicht nur ein seltsames Verständnis von der "Kunst an sich", die offenbar im politikfreien, nicht-gesellschaftlichen Raum gedeiht und erst nach dem übergriff der Herrschenden ideologisch wird; hier offenbart sich dazu die zu enge Sicht, die auch den Künstler als ungeschichtliches Wesen versteht und übersieht, daß jegliche kulturelle Produktion stets eine Stellungnahme im politischen Diskurs der Zeit ist.
Das mag vielleicht stimmen - nur daß solche ideologischen Elemente nicht nur von der "regionalen Kunstszene" aufgenommen, sondern auch sehr aktiv mit hervorgebracht wurden!

Als Kunst im Nationalsozialismus kann dieser Aufsatz jedoch nicht mehr angesehen werden, wenn man sein dubioses Fazit liest, in dem Manitz die "historische Verantwortung" anspricht: "möglicherweise", so ihre Vermutung, "gibt es - zumindest im künstlerischen Bereich - so etwas ähnliches wie eine 'Ungnade der zu frühen Geburt' für jene Künstlergeneration, die um 1880 bis 1900 geboren wurde." (S. 45) Diese These bedeutet in letzter Konsequenz nichts Geringeres als die Entmündigung der Künstler hinsichtlich ihrer politisch-ideologische Beiträge - mit solchen Phrasen wird die Verantwortung der historisch Handelnden endgültig aufgehoben, Geschichte entpersonalisiert, zum Schicksal mystifiziert.

2. Ausstellung

Der Versuch, eine Kunstgeschichte aufzuarbeiten

„Bilder eines Jahrhunderts”: Ausstellung in der Marner „Kultursporthalle” geplant

Von Sönke Dwenger

Marne: ­ Wieder einmal ist Rainer Klose der Motor eines Projektes, das überregional Aufsehen erregen soll. Die Idee ist allerdings schon zwei Jahre alt und stammt von dem Maler Claus Vahle, der bis vor einem halben Jahr in Marne lebte: „Bilder eines Jahrhunderts” wird die Kunstausstellung heißen, die Klose voraussichtlich am 2. September 2000 eröffnen wird, und zwar möglichst im Rahmen der „Landeskulturtage”, die nach Informationen von Rainer Klose vom 1. bis 3. September in Dithmarschen stattfinden. Gezeigt werden sollen die Werke vom 2. bis 24. September 2000 in der „Kultursporthalle” der Marner Realschule. Weitere Einzelheiten will Klose noch nicht verraten: „Vieles ist noch in der Schwebe; ein weiteres Vorgreifen könnte zu Komplikationen führen.” Unter „Region” versteht das Geldinstitut in erster Linie Dithmarschen, darüber hinaus aber auch die gesamte Westküste. Der Hauptakzent wird auf das 20. Jahrhundert gelegt sowie auf Künstler, die in der Region geboren wurden. Also finden wir die Namen Nikolaus Bachmann, Willy Graba, Adolf von Horsten, Hans Gross, aber natürlich auch Gertrud von Hassel, Gerhard Hermanns, Jens Rusch und Reinhardt Guldager.



3. Ausstellung

Ausstellung "Typisch Dithmarscher" von vorn

Wichtige Ausstellungstexte: Wen rechnen die Dithmarscher zu ihren "Großen"?

Wenn es ihnen um ihre Großen geht, sind Dithmarscher großzügig. Während viele Flüchtlinge oft noch nicht einmal in der zweiten Generation dazugerechnet wurden, zählt Wulf Isebrand, der Held von Hemmingstedt 1500, natürlich dazu, obwohl er sich aus den Niederlanden nach Wöhrden eingeheiratet hatte. Sogar der Komponist Johannes Brahms, der Dithmarschen vielleicht nie betreten hat, gilt für die Dithmarscher als einer der Ihren - sein Großvater war als Lumpenhändler nach Heide geraten, sein Vater in seiner Jugend schon nach Hamburg gezogen.
Karl Müllenhoff (1818-84) aus Marne, der große Sammler schleswig-holsteinischer Sagen und Märchen, später in Kiel
Der Komponist Joh. Brahms (1833-97), für Heide beansprucht
Klaus Groth, der bedeutendste niederdeutsche Dichter (1819-99) aus Heide, später Professor in Kiel
Wulf Isebrand, der Held der Schlacht bei Hemmingstedt 1500, durch H. Groß zum nationalsozialistischen Idol stilisiert
Gustav Frenssen (1863-1945), Pastor aus Barlt, später erfolgreicher Romancier (’Jörn Uhl’), verfiel zuletzt dem Nationalsozialismus
Claus Harms (1778-1855), streitbarer evangelischer Prediger aus Fahrstedt bei Marne, förderte als einer der ersten die niederdeutsche Sprache
Der Dramatiker Friedrich Hebbel (1813-63), geboren in und geflohen aus Wesselburen, in Wien erfolgreich

© Volker Arnold, zuletzt geändert am: 10/20/2005 09:58:25