Gerne stelle ich Markus vor. Seine Bücher sprühen vor Witz. Manchmal sieht es aus als geht es ihm garnicht um die Informationen, sondern er will den politischen Gegner auslachen. Zumindest steht das an zweiter Stelle. Ende der Achziger Jahre kurz vor dem Mauerbruch kamen die Informationen über rassistische Wahnsinnstaten auch bei uns in Dithmarschen an. Wenn wir uns trafen, waren auch schon immer Spitzel gegenwärtig, selbst wenn sie nie wirklich da waren. Wenn es um Spitzel ging, gab es in den Antifa- oder Antirassismusgruppen zwei Typen. Wass die Spitzel ausmachte, war, dass sie nicht erkannt wurden. Also konnte es jeder sein. Vor allem Fremde. Aber eben auch nicht. Darum mussten sie enttarnt werden. Durch Flüstern z.B. und dabei beobachten, wer besonders die Ohren spitzte oder sich sonst künstlich benahm. Das irritierte aber alle, sodass letztendlich alle wie gelähmt vor sich hinschwiegen. Damit hatte die Spitzelhysterie mehr erreicht, als alle Polizisten gemeinsam. Die anderen versuchten, sich lustig zu machen, z.B. über die Vorstellung, dass eine Spitzel wochenlang die Beziehungsstreitereien über sich ergehen ließ, ohne irgendeine Information zu erhalten. So wie die Karikatur von den beiden Beamten, die in der Kälte mit dem Abhörgerät unter dem WG- Fenster hockten. Wieviele Taschenkalender und Notizbücher sind mir verlorengegangen. Wir haben uns vorgestellt, dass Notizen oder Kochrezepte nach geheimen Botschaften untersucht wurden, wir notierten in Abkürzungen. Transpi, ASD, TPK etc. sollten sich in ihren Augen zu Geheimaktionen aufblasen, die uns ein Richter eines Tages vorhalten würde.

Markus Mohr wurde 1962 in Nordwestdeutschland geboren, lebte lange in Berlin und nutzte eine halbwegs freiwillig angetretene Trainingsmaßnahme des Arbeitsamtes Berlin-Südwest zu ausgiebigen Internetrecherchen für dieses Buch.

Zwar verrät auch ein Spitzel, doch im Unterschied zum Verräter hat er nie die Sache oder politischen Ziele und Träume geteilt, für die Menschen sich einsetzen, leiden, kämpfen und auf deren Verwirklichung sie hoffen. Ein Spitzel kann für sein Tun nicht die geringste politische Legitimität beanspruchen." Kurz, der Spitzel ist aus der Perspektive aller Beteiligten einfach das Allerletzte. In "Ich fühle mich weder als Konterrevolutionär... noch als Verräter" geht es um die "Lebensbeichten" des Ulrich Schmücker im Knast gegenüber dem Verfassungsschutz und später in einem Fragebogen eines sogenannten "Volkstribunals", dem die Hinrichtung durch ein "Kommando Schwarzer Juni" im Juni 1974 folgte. Daß an Tribunal und Kommando ebenfalls mindestens vier Spitzel beteiligt waren, zeigt den bis heute in manchen Punkten unaufgeklärten Abgrund dieses Falles. Als Fazit schreiben die Autoren, daß es absolute Zahlen über Spitzel nicht gebe, aber daß es in den letzten 30 Jahren der BRD eher Hunderte als Dutzende waren, die auf die Linke angesetzt wurden. "Und wenn wir uns mit AutorInnen beim Bier oder Kaffee getroffen haben, saßen am Nebentisch mitunter ganz merkwürdige Leute.

Auf den Linken Buchtagen im Mehringhof erklärte das Mohr, daß die Aufarbeitung der Stasi-Spitzeleien nach der Wende wesentlich von Konservativen übernommen worden sei, denen man nicht leichtfertig vertrauen mag.

Vielleicht werden es sogar Mohr und Koautor Klaus Viehmann selbst weiter beackern: So bedauerte Mohr bereits, keinen Beitrag zur Spitzelparanoia in dem Band aufgenommen zu haben. Bekanntlich sind Linke ja ein bisschen paranoid und befürchten in allen unbekannten Gesicht StaatsschutzagentInnen. So schotten sich große Teile der Linken in ihrem subkulturellen Szeneghetto ab, verzichten auf Breitenwirkung – und trotzdem gelingt es den Behörden immer wieder , wenn wohl auch eher selten, Spitzel in linken Zusammenhängen zu platzieren.

Gegen Ende werden nur noch linke Papiere dokumentiert, die die Entlarvung von Spitzeln bekannt machen. Diese Papiere zeigen jedoch nur die Hilflosigkeit, mit der die betroffenen Zusammenhänge reagieren.

So entgeht ihnen analytisch die Funktion der zweiten Gruppe, der "Agents provocateurs", im bürgerlichen Rechtsstaat. Dieser konstituiert sich durch eine legalistisch-öffentliche Fassade, in welcher er sich als Gegner gewaltsamer Auseinandersetzungen präsentiert. Doch das ist Ideologie, nicht staatliche Realität. Weil das so ist, muss der bürgerliche Rechtsstaat sein Interesse an gewaltsamer sozialer Auseinandersetzung illegal durchsetzen, eben durch Agents provocateurs. Deren staatlicher Auftrag heißt: Soziale Bewegungen auf die militant-militärische Ebene der Auseinandersetzung bringen, um ihnen die öffentliche Legitimation und damit die Möglichkeit zu entziehen, systembedrohende Massenbewegung zu werden. Typisches Verhalten solcher Spitzel ist: Gewaltfreie Aktion wird grundsätzlich diffamiert, als zu lahm, zu passiv, angeblich nicht radikal genug. Früher oder später werden militante oder gar militärische Aktionen propagiert, und Spitzel haben oft das entsprechende Material bis hin zu Waffen gleich zur Hand oder können es schnell organisieren (woher wohl?).

Eine amüsante Anekdote wie die des Opel-Betriebsrates und DKP-Mitgliedes Peter Jaszczyk, der 1981 in Bottrop einem Anwerber des Verfassungsschutzes und CSU-Mitglied die Hosen herunterzog und anhand eines dabei gefundenen Lottoscheines den Klarnamen enttarnte, geben Hoffnung und machen Mut. Zwar wurde Jaszczyk für seine Ohrfeigen verurteilt, aber "dessen ungeachtet gilt allerdings überall in der Welt: Spitzelwerber müssen damit rechnen, vom Objekt ihrer Begierde verprügelt zu werden.
Als Fazit schreiben die Autoren, daß es absolute Zahlen über Spitzel nicht gebe, aber daß es in den letzten 30 Jahren der BRD eher Hunderte als Dutzende waren, die auf die Linke angesetzt wurden. "Und wenn wir uns mit AutorInnen beim Bier oder Kaffee getroffen haben, saßen am Nebentisch mitunter ganz merkwürdige Leute.

Die vielen Fallbeispiele von Bespitzelungen Autonomer, Atomkraftgegner oder revolutionärer Zellen werden erfreulicherweise ergänzt durch Abhandlungen über die Rolle von V-Männern in der rechten Szene, so daß gar nicht erst der Verdacht aufkommt, die Autoren glaubten, der Verfassungsschutz hätte es nur auf sie abgesehen.
Gegen Ende werden nur noch linke Papiere dokumentiert, die die Entlarvung von Spitzeln bekannt machen. Diese Papiere zeigen jedoch nur die Hilflosigkeit, mit der die betroffenen Zusammenhänge reagieren. Auch wird nicht ganz klar, nach welchen Kriterien die Auswahl erfolgte. So bietet das Buch auch keine Hilfestellung auf die Frage, wie die Linke derzeit mit dem Problem umgehen sollte. Hier bleibt es bei der Bestandsaufnahme.
Spitzel. Eine kleine Sozialgeschichte, Assoziation A, Berlin 2004, 18 €.
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