Foto von der Demo, als Staatsseketär Uwe Thomas und Hafenkapitän Dietze ihre Nasen in den mit Quarzsand gefüllten Eimer gehalten haben, um zu zeigen, das keine Gefahr herrschte. Ein Jahr später war Dietze tot. Und Thomas, der wohl die Luft angehalten hatte, 1998 Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung. 2003 pensioniert.
Hier einige Zeitungsartikel:Die Oostzee und Sie gingen ins Gift.
Als im Juli 1989 der niederländische Frachter „Oostzee“ vor Brunsbüttel havariert, versuchten Hafenarbeiter und Polizisten leck geschlagene Chemiefässer zu bergen. An Bord hatte der Frachter Fässer mit der hochgiftigen Chemikalie Epichlorhydrin, rund 40 von ihnen mit jeweils 200 Litern des Giftes waren verrutscht und leck geschlagen.
Der Kapitän des Schiffes sei nicht mehr auffindbar, die Reederei habe sich aufgelöst, Ermittlungsakten seien verschwunden. „Jeder bescheinigt ihnen, dass es einen Zusammenhang zwischen Epichlorhydrin und Krebserkrankungen gibt“, sagt Karl-Hermann Rehr. Doch die Beweisführung gestaltet sich schwierig. Keiner der Männer, die auf der „Oostzee“ im Einsatz waren, ist direkt danach untersucht worden.
DIE ZEIT, 1989 Das schwimmende Restrisiko FRITZ VORHOLZ
Politiker und Techniker sind mit der Entsorgung der „Oostzee“ überfordert. Die Forderungen auf den Transparenten sind eindeutig: „Atom und Gift, alles Mist“, oder: „Giftschiff, verpiss dich“. An der Mole eins der Schleuse zum Nord-Ostsee-Kanal in Brunsbüttel, unterhalb des alten Lotsenhauses, haben sich etwa hundert Bürger versammelt. Treffpunkt der Demonstranten ist ein weißer Bus mit Wiener Kennzeichen und dem Regenbogen-Emblem von Greenpeace.
Nur einer bleibt gelassen: Horst Dietze, seit elf Jahren Hafenkapitän in Brunsbüttel. Sechs Millionen Tonnen werden in den drei Häfen der Stadt jährlich umgeschlagen, und sechzig Prozent davon sind Gefahrgut. Denn Brunsbüttel ist nicht nur eine Stätte der Erholung, sondern hat sich als Ergebnis einer verfehlten Ansiedlungspolitik auch zu einer kleinen Hochburg der Chemiebranche gemausert. Unfälle und Katastrophen passieren häufiger, nur Schlagzeilen haben sie noch nicht gemacht. Erst im vergangenen Jahr starb ein Mensch, als vor Brunsbüttel ein Schiff explodierte. Horst Dietze starb ein Jahr darauf.
Insgesamt knapp 850 Tonnen (fast eine Million Liter) im Wert von 5000 Mark je Tonne hatte die sowjetische Staatshandelsfirma Soiuzchimeiport bei Dow Chemical in Midland/Michigan geordert.
Verdacht von Verquickungen. Zwischen Großseglern der Hamburger Windjammerparade und einem Atomfrachter, beladen mit Brennstäben für das Kernkraftwerk Brunsbüttel, wird die Oostzee am Montag in aller Frühe zum Entlüften an ihren Ankerplatz in der Elbe geschleppt. Der Eindruck verstärkt sich: Mit der Entsorgung dieses Giftschiffs sind Technik und Politik überfordert.
Das ist aber nur ein Aspekt. Auch der Verdacht unseliger ökonomischer Verquickungen wird laut. Denn wer da entsorgt, gehört zum gleichen Clan wie der Verursacher des Unglücks. Die Bergungsfirmen heißen nämlich Smit Tak/Rotterdam und Harms/Hamburg. Harms ist eine Tochter von Smit Tak, und Smit Tak gehört zu vierzig Prozent der Reederei Nedlloyd. Nedlloyd ist aber auch der Eigner von KNSM Kröonburgh, der Reederei, der das Katastrophenschiff gehört. Die Kosten für diesen Teil der Bergungsarbeiten bleiben also in der Familie — und wenn die Versicherung zahlt, wird gar noch ein Geschah daraus.
5. Juli 1999 VON MICHAEL LEGBAND Giftfrachter "Oostzee" - Ein Skandal erreicht Hamburg
Vor wenigen Wochen, fast zehn Jahre später, enthüllte die WELT die Folgen der Katastrophe: Mindestens vier an der Entsorgung beteiligte Männer in Schleswig-Holstein sind inzwischen vor allem an Krebs gestorben, weitere leiden an schweren Erkrankungen - der Fall hat dort ein parlamentarisches Nachspiel.
Die schleswig-holsteinische Landesregierung räumt heute allein 17 anerkannte Dienstunfälle bei Polizisten ein. Zwei Wasserschutz-Beamte sind mittlerweile an einer seltenen Krebsart verstorben. Ihre Witwen klagen über einen Kieler Rechtsanwalt auf Anerkennung eines Dienstunfalles. Auch die Ehefrau eines auf der "Oostzee" eingesetzten Lotsen, der zwei Jahre nach dem Einsatz an Krebs starb, will ihr Recht jetzt juristisch durchsetzen.
Meine Damen und Herren, ich rufe jetzt Punkt 30 der Tagesordnung auf:
Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 14/2262 Bericht der Landesregierung Drucksache 14/2290
Horst Günter Bülck, Minister für Wirtschaft, Technologie und Verkehr:
Richtig ist, daß an die Schiffsbesatzung keine Schutzanzüge ausgegeben wurden. Nach Aussage der Gewerbeaufsicht und der beteiligten Chemieunternehmen gab es weder seinerzeit noch aus heutiger Sicht die Notwendigkeit von Schutzanzügen. Ein zeitweise an Bord eingesetzter Chemiker hat auf Nachfrage der Besatzungsmitglieder keine Gefährdung gesehen und trug auch selbst keinen Schutzanzug....... .
Klaus Schlie [CDU]: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein wenig tun Sie mir auch leid, Herr Minister. Ich möchte mit einem Zitat beginnen: "Vorsicht! Bei Beginn der Geruchswahrnehmung ist Gesundheitsschädigung oft schon eingetreten".
Dem Direktor des Instituts für Toxikologie an der Kieler Universität, Herrn Professor Otmar Wassermann, schenkte niemand Gehör. Ich zitiere aus einer "dpa"-Meldung vom 30. Juli 1989: "Wassermann bezeichnete es als 'gefährlichen Leichtsinn', die defekten Fässer mit der Chemikalie Epichlorhydrin im Elbehafen von Brunsbüttel zu entsorgen. "Wassermann damals wörtlich: "Der Einsatz einer mit Chemieunfällen 'völlig unerfahrenen' Bergungsfirma sei 'hochgradige Menschenverachtung'."
Außerdem wollte Staatssekretär Thomas in Schleswig-Holstein unter Federführung des Innenministers eine Unfall-Expertengruppe gründen und sie - hören Sie, Herr Minister! - den Kommunen und Sonderordnungsbehörden für die fachliche Beratung in der Gefahrenabwehr zur Verfügung stellen. Davon haben wir bei "Pallas" nichts gemerkt....... .
Dr. Adelheid Winking-Nikolay [fraktionslos]: Die Toxikologie Kiel hat nach dem Unfall Blut- und Urinproben von 28 betroffenen Menschen untersucht. Sie hat aus den Ergebnissen geschlossen, daß die kurzzeitige Mindestexposition einen Wert von 190 ppm Epichlorhydrin betragen hat. Als Vergleich: Der Grenzwert, der zu der Zeit in der Bundesrepublik gültig war, der sogenannte TAK-Wert - das ist die Technische Richtkonzentration -, betrug 3 ppm...... .