Hartz IV: Jeder Dritte muss raus

Erste Studie über Hartz-IV-Empfänger in Kreuzberg: Nach den Vorschriften müsste jeder Dritte seine Wohnung verlassen. Auf ganz Berlin gerechnet wären das 50.000 bis 70.000 Hartz-IV-Haushalte
VON RICHARD ROTHER

Wegen Hartz IV müssen viel mehr Berliner um ihre Wohnungen fürchten als bislang gedacht. Das ergibt eine Studie des Stadtforschungsinstituts Topos über "Sozialstruktur und Lebensverhältnisse der Hartz-IV-Empfänger in Kreuzberg", die gestern vorgestellt wurde. Demnach zahlt etwa ein Drittel der Kreuzberger Hartz-IV-Haushalte Mieten, die über den vom rot-roten Senat festgelegten Höchstgrenzen für "angemessenen Wohnraum" liegen. Auf ganz Berlin hochgerechnet würde dies 50.000 bis 70.000 Haushalte betreffen.

Eine solche Hochrechnung sei nicht aus der Luft gegriffen, betonte Topos-Forscher Sigmar Gude. Zurzeit führe sein Institut eine ähnliche Untersuchung in einem Ostberliner Innenstadtteil durch, die ähnliche Ergebnisse erwarten lasse. Zudem seien die Warmmieten auch in den Großsiedlungen nicht günstiger als in den Altbauquartieren.

Für die Studie hat Topos im Frühjahr im Auftrag des Bezirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg repräsentative Mieterbefragungen in den so genannten Erhaltungsverordnungsgebieten Luisenstadt/SO 36, Graefekiez und Bergmannstraße Nord durchgeführt. Die drei Gebiete zusammengenommen repräsentierten recht gut den gesamten Altbezirk Kreuzberg, sodass sich die Ergebnisse verallgemeinern ließen, so Gude.

Demnach erhalten in Kreuzberg zwölf Prozent aller Haushalte Hartz-Leistungen, rund zehn Prozent aller Menschen im Erwerbsalter sind Hartz-IV-Empfänger. In den Hartz-IV-Haushalten leben überdurchschnittlich viele Kinder, nichtdeutsche Haushalte sind überdurchschnittlich betroffen.

Die Studie widerlegt ein Argument, das Hartz-IV-Befürworter, vor allem bei den Grünen, oft zur Rechtfertigung der harten Einschnitte herangezogen haben. Durch Hartz sollten nämlich bisherige Sozialhilfe-Empfänger besser gestellt werden. In der Befragung gaben aber nur 14 Prozent der Kreuzberger Hartz-Haushalte an, über ein besseres Einkommen als im vorigen Jahr zu verfügen - obwohl ein Viertel aller Hartz-Haushalte zuvor ausschließlich Sozialhilfe bezogen hatte. Gut die Hälfte der Hartz-Haushalte gab an, dass sich ihre Einkommenssituation gegenüber dem Vorjahr verschlechtert hat, ein knappes Drittel sieht keine Veränderung.

Dass so viele Hartz-Haushalte in Wohnungen leben, die als nicht angemessen gelten, verwundert. Denn die Betroffenen leben in Wohnungen, die in puncto Größe und Ausstattung deutlich unter dem Gebietsdurchschnitt liegen.

Der Kreuzberger Baustadtrat Franz Schulz (Grüne) reagierte gestern besorgt auf die Zahl der möglichen Zwangsumzüge. "Wenn sich die Größenordnung verifiziert, müssen wir in der Stadt neu diskutieren." Auch Sozialstadträtin Kerstin Bauer (PDS) betonte, die Debatte um die Angemessenheit von Wohnraum für Hartz-IV-Empfänger müsse gegebenenfalls noch einmal geführt werden. Allerdings gebe es auch Ausnahmeregeln, etwa für ältere Arbeitslose oder Alleinerziehende. Dies müsse im Einzelfall geprüft werden.

Den Betroffenen dürfte dies allerdings kaum Vergnügen bereiten. Statt sich um Jobs oder Weiterbildung zu kümmern, müssen sie sich mit dem Arbeitsamt über ihre Wohnung streiten. Denn klar ist: Wer nach der Aufforderung des Amtes, sich eine billigere Wohnung zu suchen, keine findet, hat Pech gehabt.

taz Berlin lokal Nr. 7690 vom 15.6.2005, Seite 22, 113; © Contrapress media GmbH; Vervielfältigung nur mit Genehmigung des taz-Verlags

Einladung 7. bundesweites Treffen in Kassel am 9.7.05 in Kassel

Email: Soziale-Bewegung-Buero-Kassel@web.de
Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter, hiermit möchten wir Euch zu dem 7. bundesweiten Treffen der Sozialbündnisse, Organisatoren der Montagsdemonstrationen, Erwerbsloseninitiativen, Organisationen der sozialen Bewegung und Vertreter der Gewerkschaften einladen.
Es findet am Samstag, 9. Juli, im DGB-Haus in Kassel, Spohrstr. 6-8, von 11:00 bis 17:00 Uhr statt. (Anfahrtsplan ist im Anhang.)
Sie/Ihr habt vermutlich seit langer Zeit nichts mehr von unserer bundesweiten Vernetzung gehört. Dieser Umstand ist leider der erste Punkt, der kurz angesprochen werden muss: Wegen Kommunikationsproblemen oder vielleicht auch inhaltlichen Problemen war nach der Einladung zum 6. bundesweiten Treffen am 7. Mai 2005 in Leipzig nichts mehr betreffend unserer bundesweiten Treffen über den Verteiler geschickt worden. Über den Verteiler information@soziale-bewegung.de wurde zum aktuellen Arbeitstreffen am 11. Juni 2005 in Berlin überhaupt nicht mehr eingeladen, obwohl dies beim 6. bundesweiten Treffen von allen Anwesenden einstimmig beschlossen worden war. Auch das Protokoll des Treffens im Mai wurde leider von der Koordinierungsstelle Leipzig bis heute nicht verschickt.
Am 11. Juni hat in Berlin das beim 6. bundesweiten Treffen beschlossene Arbeitstreffen statt gefunden. Alle Anwesenden haben beschlossen, dass wir die Bemühungen bundesweit gemeinsam zu agieren, fortsetzen wollen. Die Kanzler-SPD möchte formell ihre Agenda- und Hartz-Politik durch Neuwahlen bestätigen lassen. Eine politische Neuorientierung oder grundsätzliche Änderung der ALG II Gesetzgebung wird es nicht geben; deshalb müssen sich die sozialen Bewegungsansätze öffentlich zurückmelden. Wahlkampfauftritte der Hartz-Einheits-Parteien können gute Gelegenheiten zur Konfrontation mit der sozialen Realität und mit unseren Forderungen sein. Egal, ob wir uns für eine ALG II-Erhöhungskampagne entscheiden, uns um die Zwangsarbeitsbeschäftigungen kümmern oder uns auch auf die Forderungen eines gesetzlichen Mindestlohns oder ein bedingungsloses Grundeinkommen konzentrieren: jede Kampagnenidee muss den neuen Bedingungen angepasst werden. Superminister Clement beschwert sich öffentlich über die Beratungsarbeit der Protestinitiativen und will deshalb 4000 zusätzliche MitarbeiterInnen zur repressiven Überprüfung der ALG II- AntragstellerInnen einstellen. Wir haben große Lust, mit Euch allen über neue Kampagnen und Aktionen zu diskutieren und nach einem demokratischen Abstimmungsprozess gemeinsam umzusetzen! Beim Treffen in Berlin haben sich die Anwesenden darauf geeinigt, über den bundesweiten Verteiler einen Aktionsvorschlag anzubieten, über den beim nächsten bundesweiten Treffen am 9. Juli in Kassel entschieden werden kann.
Andere Vorschläge können selbstverständlich ebenfalls zur Diskussion gestellt werden.
Die vorgeschlagene Tagesordnung ist selbstverständlich nicht endgültig. Wir freuen uns über weitere Vorschläge und Kritiken. Wir bitten euch Anregungen/Änderungen an die Email-Adresse des Büros Kassel zu schicken: Soziale-Bewegung-Buero-Kassel@web.de. Für telefonische Rückfragen steht außerdem Renate Gass in Kassel gerne zur Verfügung: Email: R.Gass1@gmx.de, Tel.: 0561 86 18 571 oder 0151 1539 0382
Wir wollen noch vor allem die Leute aus der Region Berlin/Brandenburg auf die Regional-Demonstration am 2. Juli in Jüterbog hinweisen:
Gemeinsame Brandenburger Montagsdemonstration am Samstag, 2. Juli, 14 Uhrauf dem Marktplatz in 14913 Jüterbog
Motto: "Gemeinsam gegen den Sozialabbau" Redner: Peter Grottian, viele Betroffene aus den Städten. Weitere Informationen unter http://www.montagsdemo-jueterbog.de.Mit freundlichen Grüßen und den besten Wünschen für Eure Arbeit bis zum 9. Juli; Peter Grottian, Roland Klautke, Rainer Wahls (Berlin), Renate Gass (Kassel) und Edgar Schu (Göttingen); P.S.: Schickt diese Einladung bitte innerhalb Eurer regionalen Bündnisse und Zusammenhänge weiter.


Streitmacht

BERLIN/KABUL/BEOGRAD (Eigener Bericht) - Angesichts der bevorstehenden Parlamentsneuwahlen in Deutschland bekennen sich sämtliche politischen Lager zur "internationalen Verantwortung" des deutschen Militärs und zum Verbleib deutscher Truppen im Ausland. Deutschland müsse den "Kampf gegen Terror und Fanatismus" verstärkt fortführen, sagte der scheidende Bundeskanzler im historischen Reichstag. Außenminister Fischer ergänzte, Berlin habe durch Teilnahme am Bombenkrieg gegen Jugoslawien "Verantwortung" wahrgenommen und "umgesetzt". Auch die im Entstehen begriffene Linkspartei, die in Umfragen zweistellige Prozentzahlen erreicht, will weitere Auslandseinsätze deutscher Soldaten nicht grundsätzlich ausschließen. Einen militärischen Rückzug aus dem Kosovo "muss man sich überlegen" und die gewachsenen Verhältnisse in Rechnung stellen, erklärt Pressesprecher Murat Cakir im Gespräch mit german-foreign-policy.com. Ebenfalls denkbar sei der Einsatz zentraler deutscher Polizeieinheiten ("Bundespolizei", ehemals "Bundesgrenzschutz"/BGS) in Afghanistan.

mehr: http://www.german-foreign-policy.com/de/news/art/2005/54405.php


Labournet gefilzt
Liebe KollegInnen,

wie Ihr unten aus der Mail des Labournets sehen könnt, wurden dort alle Computer beschlagnahmt. Dies ist ein Angriff auf die Pressefreiheit und die Arbeit von betrieblichen und gewerkschaftlichen Linken. Unsere Solidarität ist gefordert: Protestbriefe können an das Amtsgericht Bochum, Viktoriastraße 14, 44787 Bochum, Fax 0234/967-2424, mail: poststelle@ag-bochum.nrw.de geschickt werden (Aktenzeichen 64 GS - 3146/05). Die Kopien von Protestbriefen an: helmutweiss@terra.com.br
Solidarische Grüße, Stephan Kimmerle.

http://www.labournet.de/ueberuns/beschlagnahme/presseerklaerung060705.html
Bochum, den 06.07.2005

Am Dienstag, dem 05.07.2005 wurde zeitgleich gegen 06:30 Uhr eine Hausdurchsuchung bei Mag Wompel (verantwortliche Chefredakteurin), Wolfgang Schaumberg (Vortandsvorsitzender des Trägervereins) und Ralf Pandorf (Redaktion und Vorstand), alle wohnhaft in Bochum, durchgeführt. Es wurden sämtliche Computer (Laptops, Server, Ersatzgeräte), viele CD-ROMs, Disketten und Teile des archivierten Schriftverkehrs beschlagnahmt. Der Beschluß der Hausdurchsuchung wurde durch das Amtsgericht in Bochum (Zuständiger Richter: Gerkau; Aktenzeichen: 64 GS - 3146/05) erlassen und begründet sich auf den Verdacht der Urkundenfälschung.
Nach Aussagen eines an der Durchsuchung beteiligten Beamten, wurde offenbar unter dem Datum des 14.12.2004 ein angebliches Schreiben der Bundesagentur für Arbeit - Bochum - als Flugblatt verteilt. Unterschrieben sei es von einem Angestellten des Bochumer Arbeitsamtes mit gefälschter Unterschrift. Auf dem Flugblatt findet sich angeblich der Zusatz "Paul Lafarque - LabourNet".
Das Flugblatt liegt uns nicht vor und über den Inhalt können zurzeit keine Aussagen gemacht werden. Der gesamte Vorgang ist uns nicht bekannt, offenbar wurde der Name LabourNet missbraucht. Per Rechtsanwalt drängen wir auf die sofortige Herausgabe der beschlagnahmten Gegenstände.
Wir protestieren auf schärfste gegen diese völlig überzogene und unverhältnissmäßige Aktion und sehen unser Recht auf Freiheit der Presse in höchstem Maße verletzt. Nähere Informationen finden Sie auf unserer Homepage http://www.labournet.de wo wir alle neuen Nachrichten zu diesem Fall veröffentlichen werden. Für telefonische Rückfragen steht Ihnen Ralf Pandorf unter der Rufnummer 0234-34022 zur Verfügung.

Mag Wompel; Wolfgang Schaumberg; Ralf Pandorf;
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viele Grüße, Helmut

LabourNet Germany: http://www.labournet.de/ Treffpunkt für Ungehorsame, mit und ohne Job, basisnah, gesellschaftskritisch The meeting point for all left-wing trade unionists, both waged and unwaged Le point de rencontre de tous les militants syndicaux progressistes, qu`ils aient ou non un emploi