Wahltag
Der kometenhafte Aufstieg der NSDAP in Dithmarschen seit dem Jahr 1928 belegt, in welch hohem Maße die Dithmarscher mit den Nationalsozialisten sympathisierten - dies gilt auch und besonders im Vergleich mit dem gesamten Deutschen Reich.
Die Station will diesen "Dithmarscher Sonderweg" in den Mittelpunkt stellen. Warum fiel die Strategie der NSDAP vor allem hier auf fruchtbaren Boden? Welche Umstände spielten hierbei eine Rolle, und was war in Dithmarschen so "besonders"? Zur Beantwortung dieser Fragen werden diejenigen Eigenheiten Dithmarschens analysiert, die den Nationalsozialisten besonders gute Anknüpfungspunkte für eine gezielte Propaganda und eine erfolgreiche Agitation boten. Neben der weit verbreiteten Ablehnung des "Weimarer Systems" und eines virulenten und dumpfen "Antikommunismus" sowie vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise von 1928/29 nutzte die NSDAP insbesondere die dithmarscher Kultur, um eine gemeinsame, nationalsozialistisch gefärbte Identifikationsbasis zu konstruieren.
Zum einen bot sich das agrarisch geprägte Dithmarschen für die nationalsozialistische "Blutund Bodenmythologie" geradezu an. Schleswig-Holstein galt als Kernland der nordischen Rasse. In Propagandareden wurde dementsprechend der Bauernstand heroisiert und als grundlegend für die Reinerhaltung des "deutschen Blutes" hervorgehoben. Um die Sympathie der Bevölkerung zu gewinnen, bedienten sich nationalsozialistische Redner gern der plattdeutschen Sprache. Das Plattdeutsche erzeugte nicht nur eine emotionale Verbundenheit, sondern ließ auch die nationalsozialistischen Inhalte weniger brutal klingen.
Außerdem wurden der Bevölkerung im Rahmen der Propagandatätigkeit vielfältige Zerstreuungsmöglichkeiten - gekoppelt mit mehr oder weniger geschickter Indoktrinierung durch Umzüge, Musik, Tanz und Sportwettkämpfe angeboten. Organisatoren dieser Aktionen waren die lokalen NSDAP Ortsgruppen, die sich in Dithmarschen seit 1925 systematisch ausbreiteten. Dies war gewissermaßen die "friedliche" Seite der ideologischen Beeinflussung. Die andere Seite war geprägt von Gewalt. Diese zeigte sich besonders in Straßenschlachten mit politisch Andersdenkenden. Mit großer Regelmäßigkeit schilderten in den Jahren 1928 bis 1933 die "Dithmarscher Landeszeitung" oder der nach rechts tendierende "Heider Anzeiger" politisch motivierte Gewalttaten. Von überregionaler Bedeutung war dabei die "Blutnacht von Wöhrden", in der zwei SA-Männer und ein Kommunist ihr Leben verloren. Die Propagandamaschinerie der Nationalsozialisten lief sofort auf Hochtouren: Die politischen Gegner wurden zu Schuldigen erklärt, die beiden SA-Leute heroisiert und das Ereignis zum nationalsozialistischen Symbol umgedeutet.
Die Rädelsführer der Partei zählten oftmals zu den lokalen Eliten. Die NSDAP-Mitglieder der ersten Stunde gehörten zumeist der kleinbürgerlichen Mittelschicht an. Lehrer, Ärzte, Pastoren, Handwerker und Gewerbetreibende lassen sich besonders häufig in den Listen der NSDAP finden. Als Beispiel für einen anfänglich linientreuen Nationalsozialisten kann der Propst Johann Martin Bünz gelten.
Doch auch die Radikalisierung der Bauern - insbesondere im Verlaufe der Agrarkrise - darf nicht unterschätzt werden. Der Erfolg der Landvolkbewegung zeigt, dass Rigorosität und Gewaltbereitschaft unter den Landwirten latent vorhanden waren. Es gab mithin ein breites Fundament für die Akzeptanz des Nationalsozialismus. Aufgrund dieser Disposition traten viele Bauern schließlich in die NSDAP ein.
In dem Buch "Schleswig-Holstein und der Nationalsozialismus" heißt es: "Die ,irrwitzige Logik' (R. Gellately) der NS- Volksgemeinschaft beinhaltete zweierlei: gleiche, ,reine' und harmonische Integration für die einen, gewalttätige bis mörderische Ausgrenzung der anderen." Aber was haben wir uns unter "Volksgemeinschaft" nun vorzustellen?
Es handelt sich um das Idealbild einer Gesellschaft, die sich auf nationalsozialistischer Grundlage entfalten sollte. Nur der Arier war Teil von ihr, für Behinderte, Juden oder Andersdenkende (uvm.) war kein Platz. Dabei muss klar sein, dass es sich um eine Idealvorstellung handelte, sie wurde niemals hundertprozentig verwirklicht und stellt somit eine Utopie dar. Sie gründet sich unter anderem auf der dem NS- Regime eigenen Verleugnung der Interessensunterschiede oder Klassengegensätze der Gesellschaft. Es ging somit von nicht vorhandenen Grundlagen aus.
In der Fachliteratur heißt es: "Nach den gesellschaftlichen Zerklüftungen der vorangegangenen Jahrzehnte entfaltete das Projekt einer ,Volksgemeinschaft' eine kaum zu überschätzende Faszination und innenpolitische ,Suggestivkraft'''. In anderen Worten heißt das, dass dieses wohlgemerkt inszenierte Zusammenrücken der Gemeinschaft die Deutschen und die Dithmarscher gleichermaßen auf emotionaler Ebene einfangen und beeinflussen konnte.
Die Station "NS- Volksgemeinschaft" folgt der Grundidee, dass sowohl die Integrationsfunktion, als auch die Ausgrenzung der NS- Volksgemeinschaft dargestellt werden soll. Die Umsetzung hat den Leitgedanken des "Begehbaren Puppenzimmers".
Die Station besteht aus zwei Teilen: Zum einem wird das Zimmer eines Jugendlichen in der NS- Zeit präsentiert. Dieser Teil steht stellvertretend für die Integration. Zum anderen wird eine Litfasssäule mit Plakaten aus der NS- Zeit, die aus dem Fenster des Jugendzimmers zu sehen ist, gezeigt. Damit wird die Ausgrenzung dargestellt. Aber auch im Jugendzimmer selbst wird durch einige Exponate, zum Beispiel das Schulbuch mit rassistischen Zügen, die Ausgrenzung aus der Gemeinschaft gezeigt.
Wir wollen kognitive Dissonanzen in die Station einbauen, die irritieren sollen; daraus wächst die klare Botschaft, dass die NS- Volksgemeinschaft einen Doppelcharakter besaß:
"Der Aufbruch der ,Volksgemeinschaft', die Etfahrung eines deutschen Wiederaufstiegs sowie persönlich empfundene Loyalitäten zum charismatischen ,Führer' Adolf Hitler erzeugten ein Klima berauschter Begeisterung."