Kirstin Mangold / Franziska Munun
In dieser Ausstellungsstation wird dargestellt, wie es den Nationalsozialisten gelang, den Stolz der dithmarscher Bevölkerung auf ihre Geschichte - und insbesondere den Mythos der seit Jahrhunderten tradierten freien Bauernrepublik - auszunutzen. Dabei trafen sie den Nerv der Dithmarscher, die diese Instrumentalisierung ihrer Geschichte bereitwillig annahmen: Die Mythologisierung des Dithmarscher Bauerntums fiel zudem auf einen besonders fruchtbaren Boden, weil die Nationalsozialisten mit ihrem Gedankengut besonders gut an traditionelle Symbole anknüpfen konnten. Damit wurde eine Nähe zwischen Altbekanntem und Neuem suggeriert.
In der Station "Der Traum von der Bauernrepublik" wird auf provozierende Weise den Besuchern vor Augen geführt, wie leicht und wie gern sich die Dithmarscher in die Rolle des perfekten Ariers "drängen" ließen. Den Besuchern soll nahe gebracht werden, wie einfach es für die Nationalsozialisten war, eine emotionale Bindung zu den Dithmarschern herzustellen und auf diese Weise die dithmarscher Geschichte zu einer Vorgeschichte des Nationalsozialismus urnzukonstruieren.
Stolz waren die Dithmarscher vor allem auf ihren Sieg in der Schlacht bei Hemmingstedt im Jahre 1500. In ihr konnte sich die zahlenmäßig stark unterlegene Truppe der dithmarscher Bauern mit ihrem Helden Wulf Isebrand gegen die Invasionsarmee des dänischen Königs und des Herzogs von Gottorf behaupten.
Mit dem Aufkommen nationalstaatlichen Gedankenguts im Laufe des 19. Jahrhunderts rückte die besondere bäuerlich freiheitliche Vergangenheit Dithmarschens, die sich in dieser gewonnenen Schlacht spiegelte, immer stärker in den Mittelpunkt historischer Überlieferung. Bereits im Kaiserreich wurde Wulf Isebrand zu einer Dithmarscher Symbolfigur erhoben. Angesichts dieses Hintergrundes überrascht es kaum, dass nur wenige Jahrzehnte später auch die Nationalsozialisten die Vergangenheit, auf welche die Dithmarscher so stolz waren, für ihre propagandistischen Zwecke ausnutzten konnten.
Die Nationalsozialisten verstanden es dabei, geschickt spezielle Elemente der dithmarscher Traditionen mit ihren eigenen Parolen zu verbinden: So erhoben sie etwa das Bauerntum als Reichnährstand zum Träger der zukünftigen deutschen Rasse. Das Aussehen des in Dithmarschen lebenden Menschenschlags wurde von ihnen zudem zum Ideal ihrer abstrusen Rassenideologie vom "germanischen Herrenmenschen" erhoben. Zur Verbreitung dieser Ideen trugen nationalsozialistische Regionalzeitschriften mit so vertrauten Titeln wie "Wulf Isebrand" oder "Dusenddüwelswarf" (an diesem Ort steht noch heute das Denkmal, das an die Schlacht von Hemmingstedt erinnert) bei, die von den Dithmarschern gern gelesen wurden. Gezielt - und mit großem Erfolg - wurde also der Stolz der Dithmarscher auf ihre besondere Vergangenheit und ihre Herkunft in den Mittelpunkt propagandistischer Anstrengungen gestellt.
Wie geschickt die Nationalsozialisten das Sonderbewusstsein der Dithmarscher nutzten, zeigt sich an der Gründung des Dithmarscher "Geschlechterbundes" Ende 1932. Ursprünglich bereits mit nationalsozialistischem Gedankengut zur Belebung alter Traditionen und der Stärkung des Stammesgefühls gegründet, entwickelte er sich nach der Machtergreifung verstärkt zu einem Hort völkischen Denkens. Obwohl die alten Dithmarscher "Geschlechterverbände" nie auf verwandtschaftlichen Verhältnissen beruht hatten, nutzte der Leiter des Heider Sippenarchivs den "Geschlechterbund" zum Ausstellen von Ariernachweisen.