Dithmarschen im Nationalsozialismus - das heißt vor allem auch: die Dithmarscherinnen und Dithmarscher im Nationalsozialismus. Hitler stammte zwar aus dem Süden, aber die Ideen, auf denen sein "Drittes Reich" gegründet waren, kamen auf Dithmarschen keineswegs so unvermittelt zu wie eine Sturmflut. Sie blieben nicht jenseits der Deiche, sondern betrafen die Menschen hier ganz direkt: Die meisten waren begeistert, viele liefen mit, nur wenige sagten "Nein!". Die Zustimmung zu Hitler war in Dithmarschen weit höher als im Reichsdurchschnitt, und offener Widerstand gegen die nationalsozialistische Herrschaft war hier noch seltener als andernorts. In der Ausstellung können natürlich nicht alle Dithmarscherinnen und Dithmarscher einzeln repräsentiert, aber zumindest die Wege von dreien exemplarisch verfolgt werden.
Einer von vielen ist Wilhelm Boldt, Maurermeister aus Heide. Er entschied sich 1931, der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) beizutreten, also in einer Zeit, als Hitler noch in der Opposition stand und die Aufmärsche und gewalttätigen Straßenkämpfe der SA, vor allem mit linken Formationen, auch in Dithmarschen Alltag waren. Wilhelm Boldt identifizierte sich mit dieser Art des politischen Kampfes und wurde SA-Mann. Sein Sohn Joachim trat der SS bei und wurde Mitglied der "Leibstandarte Adolf Hitler", einer Eliteeinheit der Nationalsozialisten. Als Deutschland den Zweiten Weltkrieg begann, wurde Joachim Soldat. Er starb 1941 an der Ostfront - ein Berg von Kondolenzschreiben an seine Eltern zeugt von der gesellschaftlichen Akzeptanz dieses überzeugten Nationalsozialisten, der sogar seine Konfession eigens von "evangelisch" in "gottgläubig" ändern ließ, wie es die NS-Ideologie vorsah. Als die Front schon lange nicht mehr im Osten war, wurde auch sein Vater Wilhelm plötzlich "fronttauglich" und kam in den Landsturm. Nach der Befreiung durch die britische Besatzungsarmee musste er sich von einer Kommission "entnazifizieren" lassen - am Ende war er, wie fast alle, bloß "Mitläufer" gewesen.
Anders verlief der Weg Erwin Rehns. Der 1927 in Heide geborene Junge wurde im Frühjahr 1933, kurz nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten, eingeschult. Er hatte eine Knöchelschwäche und war nicht der Sportlichste in seiner Klasse. In der Hitlerjugend, in der man viel Wert auf Fitness legte, fühlte er sich deshalb nicht recht wohl und suchte anderswo Anschluss. Bald nach Kriegsbeginn lernte er in Heide die ersten Zwangsarbeiter aus Holland und Dänemark kennen. Er half ihnen als Kurier, Botschaften zu tauschen und hörte "Feindsender", was er in einem überlieferten Notizbuch festhielt. Der Kontakt zu den Zwangsarbeitern und das Abhören englischer Sender waren streng verboten. Als er erwischt wurde, versuchte er, aus Heide zu fliehen. Die Flucht war jedoch erfolglos. Er wurde gefasst und kam für fast zwei Jahre in das Jugend-KZ Moringen am Solling, wo er unter der schweren körperlichen Arbeit litt. 1945 war er erst 18 Jahre alt, doch von der Lagerhaft trug er lebenslange Gesundheitsschäden davon. In Dithmarschen blieb er ein Außenseiter.