Vorwort
Die Ausstellung "Dithmarschen im Nationalsozialismus", in die diese Begleitbroschüre einführen will, ist etwas ganz Besonderes - und zwar in mehrfacher Hinsicht: Zum einen findet mit ihr eine museale Aufbereitung einer historischen Epoche Dithmarschens statt, die es bisher so noch nicht gegeben hat. Erst mehr als sechzig Jahre nach dem Ende der nationalsozialistischen Ära und der Befreiung (auch) dieser Region durch die alliierten Siegermächte, arbeitet Dithmarschen damit diesen wichtigen Teil seiner Geschichte museal auf.
Das allerdings ist nicht nur überfällig, sondern bitter nötig. Denn: Ist von Schleswig Holstein im Allgemeinen schon bekannt, dass es dem Nationalsozialismus stärker zugetan war als alle anderen Regionen des Deutschen Reiches, so stellt wiederum Dithmarschen innerhalb Schleswig Holsteins gewissermaßen einen "braunen Leuchtturm" dar. Kaum sonst in Schleswig-Holstein wurde der Nationalsozialismus so freudig und früh herbeigesehnt wie hier; kaum anderswo wurde er so intensiv aufgenommen und verinnerlicht und kaum anderswo, und das gilt sogar für das "Nachzüglerland" Schleswig-Holstein insgesamt, das sich hiermit sehr viel Zeit gelassen hat, so spät "aufgearbeitet" wie hier.
Zum zweiten stellt die Ausstellung das Ergebnis einer ganz besonderen Kooperation dar. Sie wurde von Partnern mit verschiedensten Voraussetzungen und Interessen gemeinsam konzipiert, erarbeitet und schließlich in die Praxis umgesetzt. Die Ausstellung ist das Ergebnis einer Gemeinschaftsarbeit, die von zwei verschiedenen Universitäten mit völlig verschiedenen Studiengängen auf der einen und von einem aufgeschlossenen "Museumsmacher" und seinen Mitarbeitern auf der anderen Seite über mehr als ein halbes Jahr hinweg verfolgt und schließlich - wie wir hoffen - zu einem erfolgreichen Ende geführt worden ist.
Zum dritten stellt die Ausstellung das Produkt einer Lehr- und Lemform - nämlich des historischen "Projektes" dar -, das mit dieser Ausstellung wieder einmal überzeugend bewiesen hat, welch große pädagogischen, wissenschaftlichen und didaktischen Möglichkeiten es besitzt. Projekte sind nicht nur Lern- und Lehrformen, die den Elfenbeinturm der Universität verlassen und das akademische Lernen mit dem "wirklichen Leben" verbinden. In ihnen wird nicht nur in dem Sinne demokratisch gearbeitet, dass alle Teilnehmer (weitgehend) gleichberechtigt sind, gemeinsam planen und eigenverantwortlich arbeiten, sondern jeweils ihre speziellen Fähigkeiten und Kenntnisse einbringen können. In einem Projekt werden schließlich auch konkrete Produkte hergestellt, Produkte, die sich nicht nur den Kriterien der Universität und der Wissenschaft stellen müssen, sondern sich dem Urteil der Öffentlichkeit aussetzen müssen. Welches Produkt aber ist wohl eher dazu geeignet, sich dem Urteil der Öffentlichkeit zu stellen, als eine öffentliche "Ausstellung"? Insofern haben wir es hier geradezu mit einem Idealtypus akademischen Arbeitens zu tun.
Viertens schließlich stellt diese Ausstellung den Idealfall dar, wie in einer demokratischen Gesellschaft Universität und staatliche Institutionen im Interesse der Allgemeinheit zusammenarbeiten können, mit dem Ziel politische Bildung zwar auf dem neuesten Stand der Forschung, zugleich aber auch "besucherverträglich" zu vermitteln. Höchst selten erklären sich Museen dazu bereit, universitäre Historiker an ihren Planungen zu historischen Ausstellungen zu beteiligen. Und noch ungewöhnlicher ist es, hierbei nicht nur das Urteil renommierter Forscher zu berücksichtigen, sondern mit Studierenden zusammenzuarbeiten, ihre Vorschläge ernst zu nehmen - und schließlich praktisch umzusetzen. Nur auf diese Weise jedoch - das ist die Überzeugung aller Beteiligten - kann es gelingen, ausgefahrene Geleise der Museologie zu verlassen, neue, unverbrauchte Ideen aufzunehmen - und einmal das "Unerwartete" und vielleicht auch ein gewisses "Risiko" auf sich zu nehmen. Dies alles ist dem Ziel gewidmet, die Besucher für ein Thema zu interessieren, es Ihnen nahe zu bringen und sie zum Nachdenken anzuregen.
Wir Universitätslehrer, die dieses Projekt von Anfang an begleitet und mitkonzipiert haben, freuen uns über das Ergebnis. Wir freuen uns vor allem über den gemeinsamen Weg, den wir gegangen sind, um zu dem in der Ausstellung präsentierten Ergebnis zu gelangen. Ohne Herrn Könenkamp, den aktiven und unkonventionellen Leiter des Meldorfer Landesmuseums, wäre allerdings dieses Projekt nicht erdacht und auch nicht durchgeführt worden. Es ist sehr selten, dass sich Museumsmacher in dieser großen Aufgeschlossenheit und mit diesem hohen Verständnis: für die unkonventionellen Gedankengänge von - museumsdidaktisch gesehen _ Außenseitern auf solche Wagnisse, mit nicht vorhersehbaren Ausgang einlassen. Dafür sei ihm ganz herzlich gedankt.
Genau so selten ist es allerdings auch, dass - unter den gegenwärtigen schwierigen universitären Bedingungen - Studierende sich auf ein solches Wagnis einlassen, ein Wagnis, das immer viel mehr Arbeit mit sich bringt, als ursprünglich eingeplant worden ist. Vor allem aber: Eine solche Projektarbeit sprengt die Regeln akademischer Lehre, muss zu unüblichen Zeiten (z. B. an Wochenenden) durchgeführt werden und verlangt neben fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen vor allem auch soziale Kompetenzen. Dies gilt umso mehr, wenn sich Studierende von Zwei verschiedenen Universitäten zu einem solchen Projekt zusammentun. Hierfür möchten wir "unseren" Studierenden unseren Dank, aber auch unsere Hochachtung aussprechen.
Dass sich Universitätslehrer verschiedenen Alters, verschiedener Fachkompetenz und verschiedener Universitäten zu gemeinsamen Arbeit zusammenfinden, sollte demgegenüber Normalität sein, obwohl es in der Praxis leider kaum vorkommt. Dass das möglich ist, dafür steht dieses gelungene Projekt. Wir sind jedenfalls mit seinem Ergebnis sehr zufrieden und warten gespannt darauf, wie die Besucher auf die Ausstellung reagieren werden.
In diesem Sinne: Viele Anregungen, viel kritisches Nachdenken und viele kontroverse Diskussionen über diese Ausstellung wünschen
Uwe Danker IManfred Jessen-Klingenberg I Karl Heinrich Pohl