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DLZ vom Ende August
Gegen das Vergessen
Vier Stolpersteine erinnern in Heide an vier ermordete Juden
Von Werner Siems
Heide - Vier Pflastersteine, jeweils zehn mal zehn Zentimeter groß und mit einer Messingplatte versehen,
sind in der Heider Friedrichstraße 4 vor der Drogerie Rossmann in den Gehweg eingelassen worden.
Die kleinen Platten tragen die Namen der Geschwister Frieda, David, Martha und Gertrude Stillschweig,
dazu das jeweilige Geburtsjahr und den Hinweis: "Ermordet in Auschwitz".
Die so genannten Stolpersteine ruhen ebenerdig im Pflaster. "Stolpern heißt auch darauf stoßen",
so der Kölner Künstler Gunter Demnig, der die Steine verlegte. Ihren Platz fanden sie dort, wo
die Familie Stillschweig von 1888 an ein Bekleidungsgeschäft betrieb, was 1933 wegen der
jüdischen Herkunft der Familie boykottiert wurde und aufgegeben werden musste.
"Die Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten hat nicht nur das Geschäft der Familie
Stillschweig zerstört, sondern auch die Familie", sagte Heides Bürgervorsteher Olof Paulsen (CDU)
am Sonntagnachmittag in einer Gedenkstunde anlässlich der Verlegung. Die vier Kinder wurden 1943
im Konzentrationslager Auschwitz ermordet.
Die Verlegung erfolgte auf Initiative des Arbeitskreises Widerstand und Verfolgung im nationalsozialistischen Dithmarschen,
der auch erhebliche Vorarbeit für diese Aktion leistete. Für den Arbeitskreis erinnerte Georg Gerchen daran,
"dass die vier Geschwister kein Grab haben". Mit der Verlegung der Stolpersteine sei aber jetzt ein Platz
gefunden, an denen man ihrer gedenken kann.
Mit der Verlegung der vier Stolpersteine ist die Stadt Heide Teil des überregionalen, großen Denkmals zum
Gedenken an die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Ein großes Denkmal ist es, weil solche
Stolpersteine mittlerweile in ganz Deutschland zu finden sind.
Nach dem Verlegen der ersten Steine 1997 in Berlin folgten bis heute rund 6000 weitere in 103 Gemeinden.
Zudem ist es ein lebendes, ein wachsendes Denkmal, das von Monat zu Monat größer wird. Künstler Demnig
unterstrich, dass dieses Denkmal allen Opfern der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft gedenkt, also
Juden ebenso wie Sinti und Roma, politisch Verfolgten und Homosexuellen.
Als "bedeutendstes" Denkmal in Deutschland könne es bezeichnet werden, weil es "von unten" kommt,
also von einer Vielzahl von Bürgern - und nicht vom Staat - finanziert wird. Gestiftet von jenen
Mitbürgern, die die Opfer nicht vergessen wollen, die einst in ihrer Stadt - in ihrer Mitte - gelebt haben.
Die Stifter
Folgende Personen und Gruppen tragen mit Spenden zur Verlegung der Stolpersteine in Heide bei: SPD-Fraktion
Heide, CDU-Fraktion Heide, Elisabeth und Klaus Steinschulte (Heide), Sönke Dwenger (Heide), Werner Hajek
(Heide), Barbara und Dr. Jürgen Struck (Albersdorf), Berndt Steincke (Heide), UWH-Fraktion der Stadt Heide,
Hilda Lienau (Nordhastedt), Jörn Witt (Glückstadt), Jutta Wacker (Heide), Professor Eckart Besch und Elisabeth Piening (Heide).
Bildhauer Demnig und die Stolpersteine
Aktionskünstler spricht über seine Arbeit - Stolperstein zerkratzt
Heide (rd)
"Man muss ja nicht alles malen" hatte damals der Professor zu dem Kunststudenten Gunter Demnig abfällig über
ein gerade in Arbeit befindliches Bild gesagt. Demnig hatte verstanden: "Man muss ja nicht alles malen" und
sich sofort daran gemacht, aus dem geplanten Motiv eine Skulptur zu erstellen. Der Professor fühlte sich wohl
missverstanden war aber zufrieden.
So wurde aus dem angehenden Maler Demnig ein Bildhauer und später ein Aktionskünstler. Er verband zu Fuß
mehrere Städte mit einem roten Faden und kam auf einigen Umwegen zu den Stolpersteinen für Opfer des
Nationalsozialismus. So sollen die Messingplatten Vergangenes wachhalten.
In Heide verlegte der Künstler vier Stolpersteine für die Kinder von Auguste und Samuel Stillschweig in
der Friedrichstraße - dort hatte Samuel Stillschwieg ein Textilgeschäft geführt und dort wohnte auch die Familie.
Zu der Vortragsveranstaltung hatte der Arbeitskreis Widerstand und Verfolgung im nationalsozialistischen
Dithmarschen in Kooperation mit der Heinrich-Böll-Stiftung Schleswig-Holstein eingeladen. In dem Diavortrag
schilderte Demnig, wie er die Messingplatten herstellt und zu einem Stein werden lässt. Während seiner Arbeit
in Heide sammelten sich Menschen um ihn, schauten auf ihn und seine Arbeit, die Steine und hörten Ansprachen
und Musik, das Klopfen des Hammers. Das war das Teil des Aktionskunstwerks. Bisher hat Gunter Demnig rund 6000
Stolpersteine verlegt und es werden noch viel mehr.
In der Diskussion ging es unter anderem um die Frage, wie die Stolpersteine in Zukunft genutzt werden könnten,
damit die Erinnerung an die Stillschweigs und andere wachgehalten wird. Die Vorschläge reichten von demonstrativem
Putzen der Messingplatten bis zur Organisation öffentlicher Veranstaltungen.
Damit die Stolpersteine auch weiterhin gut aussehen, werden sie schon bald wieder geputzt werden müssen, denn der
Stein, der an Martha Stillschweig erinnert, weist zahlreiche Kratzer auf. Diese könnten mutwillig, aber auch durch
den Transport eines schweres Gegenstandes entstanden sein.