Die Sturmfluten der Vergangenheit

Priester und Mönche hatten im Gegensatz zur bäuerlichen Bevölkerung den Vorteil, lesen und schreiben zu können. Dank ihrer Chroniken sind seit Ende des 1. Jahrtausends Berichte über Sturmfluten überliefert. Wahrscheinlich schrieben die Priester diese Ereignisse auf, da sie die Fluten als Strafe Gottes für die Sünden empfanden, vergleichbar mit der Überschwemmung, die die Bibel beschreibt.

flutanim.gif1. Die erste Sturmflut, die als geschichtliches Ereignis überliefert wurde, soll sich zwischen 120 und 115 v. Chr. an der Westküste der jütischen oder cimbrischen Halbinsel ereignet haben. In den nordfriesischen Marschländern sollen damals so viele Menschen und Vieh umgekommen sein, dass die dort lebenden Volksstämme der Cimbern, Teutonen und Ambronen - an die Ambronen erinnert der Name Amrum- ihre Heimat verlassen haben. Sie zogen nach Süden und bedrohten das mächtige Römische Reich, dessen Heeren sie in Südfrankreich schwere Niederlagen beibrachten, bis sie 102 v. Chr. bei Aquaesextia und 101 v. Chr. bei Vercellae geschlagen wurden.

2. Julianenflut vom 17. Februar 1164 kurz nach Beginn der Kolonisation des Elbegebiets zerstörte diese Flut viele junge Deiche. Damals sollen zwischen Elbe und Rhein 20 000 Menschen ertrunken sein. „In jenen Tagen ... brach im Monat Februar, und zwar am 17., ein großes Unwetter mit heftigen Stürmen, grellen Blitzen und krachendem Donner los, das weit und breit viele Häuser in Brand setzte und zerstörte; überdies entstand eine Meeresflut, so groß, wie sie seit alters unerhört war. Sie überschwemmte das ganze Küstengebiet in Friesland und Hadeln sowie das ganze Marschland an Elbe, Weser und allen Flüssen, die in den Ozean münden; viele tausend Menschen und eine unzählige Menge Vieh ertranken." (Helmut v. Bosau, Slawenchronik)

3. Die erste Marcellusflut vom 16. Januar 1219. Diese Flut soll hauptsächlich den westlichen Teil der Nordseeküste heimgesucht haben und 36 000 Menschenleben gekostet haben. In einer anderen Chronik wird eine Flut von 1219 erwähnt, die die gesamten Marschländer überschwemmte und bei der in Eiderstedt, Dithmarschen und Nordstrand über 10 000 Menschen ertranken.

4. Die Allerkindleinsflut vom 28. Dezember 1248 trennte im Nordseebereich die westfriesischen Inseln vom Festland und im Elbebereich Alten- und Finkenwerder von der eingedeichten Elbinsel Gorieswerder. Damals kamen viele Menschenim Elbegebiet um.

5. Bei der Luciaflut vom 14. Dezember 1287 sollen an der gesamtendeutschen Nordseeküste 50 000 Menschen gestorben sein und die Bildung des Dollarts (Nordseebucht an der Emsmündung) soll begonnnen haben.

sturm.jpg6. Die zweite Marcellusflut am 16. Januar 1362 ging auch unter dem Namen „de grote Mandrenke" (die große Manntränke) in die Geschichte ein. Es war eine der größten Sturmflutkatastrophen an der Küste, aus den Elbmarschen sind allerdings keine Einzelheiten überliefert. Die Chroniken sprechen von 100 000 Toten. Weite Gebiete wurden überschwemmt und gingen verloren, Jadebusen, Dollart, Harle und Leybucht wurden weitervergrößert. In Nordfriesland reichte das Wasser bis an den Geestrand. Östlich des heutigen Pellworm versank der Ort Rungholt in den Fluten, einer der wichtigsten Orte Nordfrieslands im Mittelalter. Die Legende hat aus dieser Stadt einen Sündenpfuhl gemacht, ihr Untergang war die Strafe Gottes.

7. Cäcilienflut vom 21. November 1412 richtete an der Küste kaum, an der Unterelbe jedoch sehr große Schäden an. Die schon durch vorangegangene Fluten beschädigten Dörfer der 3. Meile hatten unter schweren Zerstörungen zu leiden. An der Estemündung soll sogar ein ganzes Dorf vernichtet worden sein und auch das ältere Altenwerder soll bei dieser Flut untergegangen sein. Hahnöfersand wurde komplett vom Festland abgetrennt und damit zu einer Insel. Finkenwerder und Gorieswerder litten besonders und Billwerder, Ochsenwerder, Moorwerder und die Dritte Meile Altenlandes haben „lange Jar wüste gelegen" (Hübbe,1888). Diese Sturmflut soll 30.000 Menschenleben gekostet haben.
„ Anno 1412. am Cecilien Abend /
ist hie zu Lande eine solche Elb=flut wegen des grossen Sturmwindes entstanden/
davon im Alten Lande /
und in den andern oben und unten umbliegenden Masch= und Warderländern/
bey 30600 Menschen umbs Leben kommen sind." (Peter Hessel, Pastor am Hamburger Pesthof)

8. Allerheiligenflut vom 1. November 1436. Diese Flut traf die gesamte Meeresküste mehr oder weniger stark. Allein in dem kleinen Dorf Tetenbüll in Eiderstedt sollen 180 Menschen gestorben sein. Es wird berichtet, dass der Bürgermeister Detlefs von Tönning, als er eine Frau aus dem Wasser retten wollte und sich deshalb in einen Kübel gesetzt hatte, von der Strömung mitgerissen wurde und über die Eider erst in Büsum wieder an Land kam, immerhin gesund und wohlbehalten.

9. Die Heilige Dreikönigsflut vom 6. Januar 1470 hatte im Gegensatz zur Küstenregion nur im Gebiet der Elbmarschen große Überschwemmungen zur Folge. Der Wasserstand war „fast eine Ele höher gangen/ als am Cecilien Abend" (P. Hessel).

rungholt01.jpg10. Hochwasser von 1524. Diese Flut zerstörte den Hamburger Stadtdeich und spülte am Winserbaum ein 27m tiefes Brack ein.

11. Allerheiligenflut vom 1. November 1532. Es heißt, „dass man in vielen Städten und Dörfern mit Kähnen zueinander fahren konnte. In Eiderstedt, Nordstrand, Süder- und Norderdithmarschen sollen viele Tausend Menschen mit allen ihren Gütern im wilden Meer umgekommen sein, in Eiderstedt 1100, in Koldenbüttel allein 100 und in Witzdorf 60. Das Wasser stand damals 3 Klafter über dem Land. In Nordstrand kamen 1500 und 3 Prediger um, das Wasser ging 3 Ellen über alle Deiche. In Tondern stand das Wasser 3 Ellen hoch an der Kirchenmauer und hat am Schloß viel Schaden getan."

12. Allerheiligenflut vom 1./ 2. November 1570. Damals wurde das gesamte Stromspaltungsgebiet heimgesucht. Im Alten Land, in Stillhorn, Moorwerder und in den Vier- und Marschlanden brachen die Deiche. In Hamburg wurde die Ellerthorsbrücke zerstört. Auf die Fluten vom Allerheiligentag 1436, 1532 und 1570 ist der alte Spruch gemünzt: „Allerheiligendag
Vrisland veel beklagen mag."

13. Kornflut vom 21. August 1573. Diese Sturmflut wurde so genannt, weil damals viel Korn auf den Feldern vernichtet wurde. Vielleicht war diese Flut gar nicht so sehr hoch. Sie traf jedoch auf Deiche, die noch von der Allerheiligenflut geschwächt oder zerstört waren. Bei Reimersbude brach der Deich; über diese Lücke trieb aus der Eider im Winter viel Eis über das Land, das dort lange liegen blieb.

14. Über die Sturmflut vom 15. Januar 1584 ist in der Literatur nicht viel zu finden, es scheint keine so schwere Sturmflut gewesen zu sein.

15. Fastelabendflut vom 14. Februar 1602 oder 1655.

16. Fastnachtsflut vom 26. Februar 1625 wurde auch Eisflut genannt; die Eisschollen sollen die Deiche an manchen Stellen sehr schwer beschädigt haben. In Hamburg stand das Wasser am Hopfenmarkt und lief in die Nikolaikirche. Große Schäden entstanden an den Gütern, die im Hamburger Hafen lagerten. Auch wurden die Bullenhuser Schleusen zerstört und im Alten Land wurden große Schäden angerichtet.

flut1683.jpg17. St.-Pauli-Bekehrungsnachtflut vom 11. Oktober 1634. Diese sehr schwere Flut wurde auch Zweite Mandrenke („Mann-tränke") genannt. Seit 1634 bestehen Nordstrand und Pellworm als getrennte Inseln. Damals brachen der Estedeich in Hove auf 900m Länge, der Schlengendeich in Wilhelmsburg und der Hammarbrooker Deich. Der Nordstrander Pastor M. Antonius Heimreich, der die Sturmflut miterlebte und beinahe darin ums Leben kam, beschreibt die Flut wie folgt:
„Das Gott der Herr durch außlassung der Wasser das Land könne umbkehren/
solches haben diese Nord Fresche Landschafften benebenst allen an der West See liegenden Marsch Ländern am Tage Burchardi(...) des 1634 Jahres besonders müssen erfahren/
indem am Tage zuvor (als am 11. Octobris) sich ein ungeheurer Sturmwind aus dem Süd Westen erhoben/
so sich in folgender Nacht auf halber Sprinckflut nach dem Nordwesten gewendet/
und so gar übel gehauset/
dass er nicht allein hin und wieder die Häuser auff- und abgedecket/
auch unzehlig viel gar hinweg genommen/
dazu in den Wäldern und Holtzungen starcke und dicke Bäume bey Hauffen niedergeschlagen/
mit den Wurtzelen aus der Erden gerissen/
sondern auch das Wasser und Meer in der West- See dermassen bewogen und auffgetrieben/
dass es in denen an derselben und an der Elbe belegenen Ländern/
als in Storman/ Dithmarschen/ Eiderstedt/ NordStrand/ Jüthland/ und andern Ortern hin und wieder eingegangen/
Teiche und Dämme zerrissen und dahin gekommen/
Da man zuvor niemals keine Fluth vernommen/
Viele 1000 Menschen und Vieh ersäuffet/
Häuser und Güter weggeführet/
Und solchen Schaden gethan/
Dass es nicht zu beschreiben. Da denn auch die finster Nacht nicht allein die obhandene grose Gefahr bey vielen hat verborgen/
Sondern ihnen auch alle Mittele derselben zu entkommen beraubet Weßhalben ihrer Mutter nacket von ihren Bette bey sicherem Schlaffe sein weggetrieben/
hallig1650.png Andere durch ungestümigkeit des Wetters erwecket/
Haben davon fliehen oder ihre Güter erretten wollen/
Allein sein zunebenst ihren Häusern und Gütern von den Wellen weggeführet worden. Derhalben viele in dem sie gesehen/
Dass alle Mittel zu entkommen vergebens/
Und sie zweyfels frey mit ihren Haußgenossen von den Wellen würden weggeführet werden/
Sich und ihre Weiber und Kinder haben aneinandergebunden/
Dass wie sie alle die Natur und die Liebe vereiniget/
Also auch sie die grausamen Wellen nicht möchten trennen. Viele haben sich/
Mit allen ihren Haußgenossen auf den Dächern und Häusern begeben/
Und sein auff denselben/
Als auff einem Schiff/
Herumb geführet worden. Welche aber bald von den Wellen zuschlagen/
Und also diese elende Leute elendiglich voneinander getrennet/
Dass auf dem einen Stück der Vater/
Auff einem andern die Mutter hingetrieben/
Auf einem andern die zarten Kinderlein. Und hat es allenthalben ein jämmerliches Ansehen gehabt massen man gesehen/
Wie das unzehlig viele todte Menschen herumbgetrieben/
Kisten und Schappen/
Bette und Bettegewand/
Laden und allerhand herrlicher und kostbahrer Haußgerath auff dem Wasser geschwemmet/
Wie viele Männer/
Weiber und Kinder auf stücken Häuser/
Breter/
Balcken/
und dergleichen/
Neben und unter den annoch stehenden Häusern hingefahren/
Und Gott und Menschen umb Hülffe und Errettung angeschrien. Und ist das aller grösseste Elende gewesen/
Dass die solches gehört/
Ihnen auf ihr klägliches jammer Geschrey nicht haben können helffen."

18. Petriflut vom 22. Februar 1651. Hier wurde die 3. Meile des Alten Landes überflutet. Man nannte es auch das Wetterbrack, da es bis zur Abdämmung der Alten Süderelbe je nach Wetterlage verschieden gefärbt gewesen sein soll. So standen z.B. bei lehmgelber Trübung Sturmfluten bevor.

19. Sturmflut vom 31. Dezember 1662.

sturmflut.jpg20. Die Weihnachtsflut vom 24./ 25. Dezember 1717 war die schwerste im 18. Jahrhundert. Das Wasser lief an der Küste und in der Unterelbehöher auf als je zuvor. In Hamburg soll der Wasserstand sogar eine Höhe von NN +5,06m erreicht haben. Die Wassermassen bedeckten ganz Stillhorn, Finkenwerder, Moorburg und die 3. Meile. Mehr als 11 500 Menschen verloren damals ihr Leben, 100 000 Stück Vieh kamen um, fast 8000 Gebäude wurden zerstört und um die 6000 km2 Land wurden überflutet. In Altenwerder brach der Deich an 14 Stellen und in der 3. Meile 13 Mal.. Auf Wilhelmsburg wurde das Schulhaus fortgerissen.

21. Sturmflut vom 11. September 1751. Diese jahreszeitlich sehr frühe Flut überraschte die Bauern mitten in der Erntezeit und richtete besonders große Schäden bei den Viehbeständen und Feldfrüchtenan. Angeblich soll bei dieser Sturmflut das Wasser noch höher aufgelaufen sein als bei der vorhergehenden, nämlich auf NN +5,24 m. Es gab schwere Deich- und Grundbrüche in Billwerder, in Finkenwerder und in der 3. Meile. Auch Moorburg, Wilhelmsburg und z.T. Ochsenwerder wurden überschwemmt. Und sogar der Stadtdeichbrach und setzte Hammarbrook den Wasserfluten aus, hier stand das Wasser 0,6m hoch. Insgesamt wurden in Hamburg 3000 Häuser überflutet. In Neuenfelde verursachte die Flut „42 Ruten 6 Fuss Grundbrüche, deren Wiederherstellung die Summe von 4158 Reichstalerner forderte. Der grösste Bruch, „Inselmanns Brack", 14 Ruten lang imDeich, schuf den grossen Kolk von Vierzigstücken." (Akte Amt JorkVI D 2. Conv. 44 beim Kreisausschuss Jork) Das genannte Brack heißtin diesem Bericht Vierzigstückenbrack.

22. Markusflut vom 7. Oktober 1756 Diese Flut richtete eine große Verwüstung an. Es brachen der Hamburger Stadtdeich, die Deiche Billwerders, Wilhelmsburgs und Finkenwerders. Allein auf Wilhelmsburg ertranken 27 Menschen. In der 3. Meile brach der Elbdeich 17 Mal, darunter zwei schwere Grundbrüche. Der Amtmann v. Döhren berichtet: „Das Elend ist diesmal gar zu stark gewesen,indem viele Menschen und Scheunen wegtrieben und wohl alle Gebäudeim Lande so hart beschädigt sein werden, dass sie vor dem Winter schwerlichalle wider hergestellt werden können... Die Überschwemmung (ist) diesmal, gegen die von 1751 zu rechnen, fünf ganze Fuß höher gewesen, gleich denn die Wellen gegen das Amtshaus solcher gestalt getobt, dass sie im Zurückschlagen bis an die zweite Etage hinaufgeworfen worden, und auch zwei Löcher in die massive Mauer geschlagen..." über die Entstehung des Gutsbracks:
In den Akten der Reg. Stade R.R. 591-11 gibt es eine Schilderung des Deichbruchs vom Oberdeichgrafen v. Düring, der das Gut damals bewohnte: "Der Strom stürzte so heftig auf mein Wohnhaus, dass nur allein in wenigen Minuten das Wasser eindrang, sodass ich, als umb meine ohnentbehrlichsten Schriften aus meiner Schreibstube zu retten beflissen war, bis unter die Arme im Wasser zu stehen kam und also wenig retten konnte, zumal der bretterne Fussboden auftrieb und mir die Brust stiess, da zugleich mein Schreibtischschrank mit Schriften und darinnen habendes Geld umbtriebe und hinaus ins Wasser fiel, worauf mir auf die oberste Etage im Haus retirirte. Das Wasser wuchs immer höher, dass es jetzt 10 Fuss hoch im Haus stand, welches mir um so mehr alterirte, als bei allen andern erlebten verschiedenen Ueberschwemmungen das Wasser niemalen im Hause gehabt. -Wegen des am Hause anstossenden vehementen Stroms, welcher mit einer aufgezogenen Mühlenschütt zu vergleichen, war der Einsturz des Hauses allen Augenblick zu vermuten, und in solcher Lebensgefahr musste ich nebst den Meinigen bis den 8. dieses gegen Mittag aushalten, da ich dann endlich ein Schiff erhielte, womit ich nebst meiner Frau und Kindern unser Leben erretteten und uns vors erste nach Horneburg retirirten". (Die Deichkolke des Kreises Jork als Naturdenkmäler, H.P.Siemens,Jork, 1932) Aus der gleichen Quelle stammt ein Bericht des Stader Regierungsrats v. Berlepsch:
rungholt03.jpg„Der Schade, der übrigens durch diese Ueberschwemmung geschah, ist important: 10 Häuser sind ganz weggetrieben, die andern überaus beschädiget; man siehet überall tot Hornvieh und Pferde liegen, und im Gericht Rübcke sollen nach der Gräfen Bericht nur 3 Stück Vieh übrig geblieben sein. Der allergrösste Schade bestehet aber darin, dass auf den Aussen- und Binnendeich überaus viel Sand geführet, mithin das Land auf viele Jahre deterioriret worden. Auf des Oberdeichgräfen von Dürings Hoffe siehet es gar kläglich aus: alle die meubles sind verdorben, in dem Garten liegen über 6 Fuss Sand; der ganze Hoffgraben ist zugetrieben, das steinerne Tor ganz weg, seine Ländereien mit Sand überschüttet und er genötigt, die Bracke auf 70 Ruten über sein und auch von seinem Lande einzuteichen."(19. Oktober 1756)

23. Sturmflut vom 3./ 4. Februar 1825. Diese Sturmflut traf genau zur Springzeit auf sowieso schon angeschlagene und geschwächte Deiche; der ganze Winter 1824/ 25 war stürmisch gewesen und es hatte mehrere Überflutungen gegeben. Tausende Hektar - Hammarbrook, die Vier- und Marschlande, Wilhelmsburg und Finkenwerder - wurden von salzigem Meerwasser überschwemmt und teilweise, da das Wasser nicht ablaufen konnte, unfruchtbar. Meistens übernahm dann der Landesherr das Land und schenkte es an wagemutige Bauern. An der gesamten deutschen Nordseeküste traten die bis dahin absolut höchsten Wasserstände ein; in Hamburg wurde am Pegel von St. Pauli ein Scheitelwasserstand von NN +5,24m gemessen. In der Hamburger Innenstadt standen nach dem Bruch des Hamburger Stadtdeiches über 3000 Häuser unter Wasser. Inder 3. Meile kam es zu 44 (!) Deichbrüchen, darunter ein gefährlicher Grundbruch. Auszug aus einer Predigt Pastor Cropps aus Moorburg:
„Durch einen Kammbruch von 17m Breite und gut 5m Tiefe stürzten die Wassermassen mit solcher Wucht herein, dass die Kate der Familie Harms von der Strömung mitgerissen wurde. Der Mann packte gerade in großer Hast die notwendigsten Sachen zusammen, um sie nach dem Boden zu schaffen, wohin sich seine Frau mit den sechs Kindern bereits gerettet hatte. Da wurde das Haus plötzlich fortgerissen. Das Ständerwerk zerknickte wie Streichhölzer. Der Nachbar Peters rettete die Mutter und drei Kinder, die auf einem Strohhaufen forttrieben, ohne dass ihnen die Füße naß geworden waren; der Mann kletterte in einen Apfelbaum, wohin auch das einzige Pferd schwamm. Di älteste, 17jährige Tochter, die an dem Ast eines Birnbaums hing, wurde von Jakob Schierhorn ins Boot genommen; die jüngere Schwester ertrank. Von 39 Katen blieb nur das Ständerwerk stehen, das Mauerwerk war herausgeschlagen worden. In der Kirche spülten die Wellen über die Altarstufen. Unzählige Vieh ist ertrunken, eine Unmenge Hausgerät ins Moor gespült."
39 Menschen liessen nach dem Neuenfelder Kirchenbuch allein aus Francop in dieser Sturmnacht das Leben, dazu wurden 18 Gebäude gänzlich zerstört und 108 beschädigt, sodass überhaupt in der kleinen Gemeinde kaum ein heiles Haus war. Wie viele Schreckensszenen, wie viele Beispiele von Nächstenliebe und heldenhaftem Wagemut sind im Mund der Bevölkerung noch heute lebendig!(Die Deichkolke des Kreises Jork als Naturdenkmäler. H.P. Siemens,Jork, 1932)

karte06.jpg24. Neujahrsflut vom 1. zum 2. Januar 1855 Man hatte in der Zwischenzeit die Deiche erhöht und verstärkt, daher hatte diese Flut nicht so die zerstörende Wirkung, wie die Flut von 1751, doch alle Bemühungen konnten am linken Elbufer einen Grundbruch am rechten Estedeich und auf dem rechten Elbufer einen Deichbruch in Kirchwerder- Warwisch nicht verhindern. Die Vier- und Marschlande wurden ebenso überflutet wie die 3. Meile, Moorburg, die Vogtei Neuland, Neuhof und Wilhelmsburg. Das Wasser reichte um 4.15 Uhr in Hamburg - St. Pauli bis NN +5,08m. In Wilhelmsburg brach der Deich zweimal, einmal beim Sperlsdeich und nochmal in Götjensort. Bei derÜberflutung wurden zwei Wohnhäuser ganz und viele andere Häuser teilweise zerstört. In einem ertranken vier Menschen. Ganz Wilhelmsburg stand unter Wasser. Hinzu kam, dass bald nach der Sturmflut Frostwetter eintrat und die ganze Insel vereiste. Erst im März verlief sich das Wasser wieder. 100 Jahre lang erreichte keine Sturmflut die Höhe der vorangegangenen und es kam zu keinen Überflutungskatastrophen. Diese lange Zeit der Ruhe führte leider dazu, dass man sich zu sicher fühlte hinter den Deichen und dass das Bewusstsein für die Gefahr der ständig drohenden Sturmfluten schwand.

25. Katastrophensturmflut vom 16./ 17. Februar 1962 Diese Sturmflut wirkte sich extrem hart im Hamburger Stadtgebiet aus. Hier brach 60 mal der Deich, davon waren 3 große Grundbrüche, und 12 500 ha wurden überschwemmt- etwa 1/6 des Hamburger Stadtgebietes. Besonders tragisch war, dass hier so viele Menschen den Tod fanden; in einer Zeit, in der man eigentlich dachte, die Gewalten der Natur unter Kontrolle zu haben. Von den insgesamt an der Nordseeküste zu beklagenden 340 Toten ertranken allein im Hamburger Stadtgebiet 315. Für die Menschen im Hamburger Raum kam die Überflutung besonders überraschend, da doch für sie die Elbe ein Fluss war, wie jeder andere auch; dass auch hier die Tide noch Einfluss hat, vergisst man leicht. Sie fühlten sich so weit ab von der Küste in Sicherheit. Am Pegel von St. Pauli erreichten die Wellen einen nie zuvor gemessenen Wasserstand von NN +5,70m, 0,46m höher als der Wasserstand der bis dahin höchsten Sturmflut von 1825. Dieser ungewöhnlich hohe Wasserstand wurde von einem lange andauernden Sturm mit orkanartigen Böen über der Nordsee und einem Windfeld über der Deutschen Bucht mit mittlerer Windstärke 9BF (Beaufort) aus WNW verursacht. Hinzu kam der Einfluss einer Fernwelle aus dem Atlantik, der bei Cuxhafen fast einen Meter ausmachte. Der Scheitelwert der Flutwelle trat in Hamburg fast zeitgleich (40 Minuten Unterschied) mit der Tide ein und verstärkte sie entsprechend noch.

26. Sturmflut vom 3. Januar 1976. Bei dieser Flut gab es den bisher höchsten Pegelstand in Hamburg überhaupt: um 17.10 Uhr stand das Wasser inHamburg St. Pauli bei NN +6,45m! Doch zum Glück ist kein Mensch ums Lebengekommen, die Deichverstärkungen und Sturmflutmauern erwiesen sich als ausreichend stark. Schon wenige Tage später folgte die nächste Sturmflut am 21. Januar; doch trotz dieser Doppelbelastung bewährten sich die Küstenschutzkonzepte, das Warnsystem und die Katastrophenschutzpläne und es kann nicht von einer eigentlichen Katastrophe gesprochen werden. weiter