Das Gesicht eines Massenmörders

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Karl Herwig

gilt als einer der 5000 Köpfe, die die Epoche des III. Reichs bestimmten. Er wurde am 25.7.1897 in Wesselburen geboren. 1919 Ehe mit Elli Peters; drei Kinder; Beruf: Schlossemteister.
Von Bekannten wird im eine ungeheure Brutalität bescheinigt, die logischerweise zum Eintritt in den Stahlhelm 1925-27 und ab 28 in die SA und NSDAP fiihrte, in der er ein Jahr später Ortsgruppenleiter und Kreistagsabgeordneter, außerdem als erster Ratsmann zunächst Stellvertreter und ab 33 Bürgenneister von Wesselburen wurde, somit mit 36 Jahren als nationalsozialistischer Bürgermeister Preußens antrat.
Dies waren jetzt ausgezeichnete Voraussetzungen zur Ausschaltung der Unken. Er empfahl z.B. kommunistische Häftlinge vor dem Verhör "aftorüschen" = Tracht Prügel geben. Er war sich nicht zu fein, Wesselburener persönlich ins KZ Glückstadt zu bringen.
Am Tage seines Antritts als Bürgemteister erschien in den Tageszeitungen ein Aufruf: "Deutschland den Deutschen. Wer bei Juden kauft ist ein Lump und Verräter am Deutschen Volk. gez. Herwig".
Ein weiteres Beispiel: Der Wjrt eines Lokals, in dem die "Internationale" gesungen wurde, fand sich kurzerhand im KZ Esterwege wieder. Bei seiner Rückkehr fehlten 400 Mark und die Speisekammer war leergefressen.
Am 1.10.37 wird auf Verfiigung von Heinrich Himmler der SS-Standartenführer Herwig zum Bürgermeister der Stadt Heide benannt. Er läßt sich im Markt 29, im Postelheim, seine Wohnung einrichten, darunter den Versammlungsraum der 14 "Ratsherren". Im Markt 31 bringt er die Stadthauptverwaltung unter; und im Markt 32 oben die SS-Standarte und unten seine Polizeiverwaltung und Gestapo.
Seine erste Handlung besteht darin 400 Berichte über Heider BiirgerInnen zu verfassen. Daraufhin wird er auch Leiter des SD (Sicherheitsdienstes). Seine Bemühungen führten ihn schließlich zur Ernennung zum SS-Oberführer, also nur noch drei Positionen entfernt von seinem obersten Chef Himmler .
Ein Beispiel fiir seinen Eifer ist die Erhängung des Polen Stefan Slowinzky in in einer öffentlichen Schauhinrichtung, zu der er sogar Einladungen verschickt hat. Grund war die "unerlaubte Beziehung" des 21- jährigen Zwangsarbeiters zu einem Mädchen aus dem Dorf. Das Mädchen ist vermutlich in ein Arbeitserziehungslager gekommen.
Ein anderes Beispiel ist die Verschleppung von zwei Frauen ins KZ, weil sie ihm vorwarfen, die Kohlen der Stadtverwaltung mitzubenutzen.
Nach der Zerschlagung des faschistischen Regimes bekam Herwig 2-1/2 Jahre, weil er "nur ein Glied in einer Kette von Kausalitäten innerhalb eines Herrschaftssystems war, dessen Mechanismen sich verselbständigt hatten."
Er sagte selbst dazu: "Ich bin mir nicht bewußt, irgendwie und -wann ein Verbrechen begangen zu haben". Dann widmete er sich der Aufarbeitung in seinem Jagdhaus in Welmbüttel, in dem er unangetastet am 20.1.67 starb.

Neben dem Bürgermeister residiert der

Pastor Karl Walter Manitius,

der seit 1935 die Gemeinde in Heide betreute. Er gehört zu einer Gruppe nationalkonservativer Theologen, die schon ganz früh Anhänger der Nationalsozialisten wurden und die Massenbasis der NS verbreitern halfen. Manitius allerdings trat noch vor der Machtergreifung Hitlers wieder aus. Der Grund soll die grausame Ermordung eines Kommunisten (in Potempa) durch SA-Männer gewesen sein. Die Täter erhielten vollkommene Billigung durch die Parteispitze der NSDAP. Nach 1933 wurden die Mörder aus ihrer lebenslangen Haft entlassen. Des weiteren kritisierte Manitius die Euthanasiemorde der Nationalsozialisten. Diese beiden Erfahnmgen mögen ihn dazu gebracht haben, zu erkennen, daß seine beiden Heiligtümer Volkstum und Evangelium nicht im Nationalsozialismus und im Führer kulminieren, wie es viele seiner Kollegen glaubten, die ihre Predigten mit dem deutschen Gruß begannen und den Talar gegen eine Naziuniform tauschten. Schon 1932 stellte er fest, daß größer und heiliger als Volk und Vaterland die "letzte Hoffnung" sei. Er befürchtete schon damals, daß eine Entscheidung für das Evangelium ein Vergehen am Volkstum bedeuten könne und deswegen "den guten Namen und die Achtung unter den Menschen, Patrioten und Ehrenmännern" kosten könne.
In Heide wurden die Predigten des Pastors von einem Nazi- Lehrer mitstenografiert. Manitius erlaubte sich, während des Gottesdienstes darauf hinzuweisen: "Spreche ich auch nicht zu schnell, damit die Herren im Regenmantel in der letzten Reihe mitschreiben können."
Während der Kriegsjahre pflegte sich der HJ-Dienst Sonntags zur Gottesdienstzeit neben die Kirche auf dem Marktplatz mit Trommeln und Fanfarenlärm zu treffen und den Gottesdienst zu stören. Manitius soll dann seine Predigt unterbrochen haben: "Ich warte, bis die Flegel da draußen fertig sind."
Die räumliche Nähe zu dem strammen SS- Bürgermeister Herwig muß ein ziemliches Problem für Manitius gewesen sein. Er soll oftmals mit Flüchen die Vorhänge zugezogen haben, wenn er Herwig gegenüber am Fenster sah. Dennoch hat er sich bis zum bitteren Ende des Hitlerfaschismus halten können. Nach 45 soll, so berichtet sein Nachfolger, Manitius seinen Feind Herwig im Krankenhaus besucht haben, auf Herwigs Wunsch hin. Was dort besprochen wurde, ist nicht bekannt.
Auffällig ist, daß der Pastor Manitius sich über Euthanasiemorde, den Potempa- Mord aufregte, die Deportationen und Ermordung der Juden aber vollkommen unerwähnt bleiben.
(Zitate aus "Heider gottsleider")

Pastorat am Marktplatz