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Der Maschinensetzer Erich Böhlig
wurde 1885 in Friedberg geboren und kam in den letzten Kriegstagen 1945 auf dem
brennenden KZ-Schiff "Cap Arcona" in der Neustädter Bucht ums Leben.
Erich Böhlig wohnte hier in der Bahnhofstr. 62 und arbeitete bei
der Vorgängerin der DLZ, des im gleichen Verlag herausgegebenen
"Heider Anzeiger", als Maschinensetzer. Diese Zeitung hat
seinerzeit ihren Anteil daran gehabt, rechtsradikale Ansichten im Kreisgebiet
zu verbreiten und alle Opposition zu diffamieren. Erich Böhlig hatte als
leitendes KPD- Mitglied in Heide ab 1933 viel auszuhalten. Er hat aus seiner
ablehnenden haltung gegen die Nazis keinen Hehl gemacht. Noch nach Beginn der
Nazi- Diktatur kandidiert er auf Platz 1 der KPD- Liste für die
Stadtverordnentenversammlung und wird auch von den Heider Linken am 12.
März trotz aller Schikanen der Nazis in die Stadtverordnetenversammlung
gewählt Damit beginnt eine lange Zeit der Verfolgung. Am II.April wird
Böhlig verhaftet und mit anderen bekannten Heider Oppositionellen wie DabeIstein,
Hagge, Hennigsen, Knispel, Delonge, Teichert und Sauerwein nach Haft im Polizeigefilngnis
Heide (etwa da, wo heute die Stadtbrücke beginnt) zusammen in das KZ Glückstadt
transportiert. In diesen Apriltagen finden in Heide Hausdurchsuchungen, Verhaftungen und
Quälereien statt. Die Nazis fanden Munition und Waffen, aber längst nicht alles,
was die Oppositionellen belasten konnte. Es kam zu bewaffneten Auseinandersetzungen in Lohe
und in Hemmingstedt, was die Aufregung der neuen Machthaber im Rathaus erheblich steigerte.
Für den verhafteten Erich BöhIig und seine Famile führten seine Arbeitskollegen
eine Sammlung im Betrieb durch. Leider wurde diese 'Solidaritätsaktion' auch der NSBO
in der Zeitung bekannt. Fünf Setzer wurden entlassen und von der Polizei und von
Parteiosationen verhört. Es ist bezeichend, daß es sich hierbei mehrheitlich
um SPD- Mitglieder handelt, die ihrem verhafteten KPD-Kollegen helfen wollten. Erich
Böhlig war nach seiner Entlassung aus der KZ-Haft wieder in Heide. Allein sein
Überleben schien eine Provokation für die Heider Nazis zu sein. So wurde er
im August 1944 im Rahmen der Vergeltung für den 20. Juli erneut verhaftet und im
KZ Neuengamme gequält. Erich Böh1ig muß in den letzten Kriegstagen
noch den Todesmarsch nach Lübeck mitmachen und wird mit Tausenden anderer Nazigegner
auf die "Cap Arcona" gepfercht. Dort kommt er am 3. Mai 1945 ums Leben .
Bei Bäcker Boldt im Schumacherort hatte
der Holländer
Hendrik Boef
sein Zimmer. Im Wohnzimmer des Bäckers hing ein riesiges Hitlerbild;
in ausgelassener Stimmung bewarfen Boef und seine Freunde das Bild mit Schlagsahne.
Boef war einer der ausländischen Arbeiter, die zwangsweise aus Holland und anderen
Ländern rekrutiert worden waren, um die mit Krieg beschäftigten deutschen Soldaten
zu ersetzen. Diese Zwangsarbeiter wurden für die Kriegsproduktion ausgebeutet, bildeten
aber zum Teil gleichzeitig Zellen des Widerstandes und der Sabotage. Die Alliierten
bemühten sich, die Präsenz dieser Arbeiterinnen zu nutzen, um die deutsche
Industrie durch Sabotage oder passiven Widerstand zu stören. Aufrufe in vielen
Sprachen wurden in Deutschland verbreitet: "Arbeiter! Welchem Volk ihr auch
angehört, jeder einzelne ist Glied einer Armee von Kameraden ohne Zahl. Schlagt
jetzt zu, schlagt im Stillen zu, immer wieder, führt neue Schläge, leichte
und schwere."
In Heide waren besonders einige Dänen und eben Holländer aktiv, wenn auch ihre Aktionen nicht so spektakulär sind, wie Sabotageakte an Rüstungsgütern.
Nicolaas van Arkel arbeitete zwangsweise als Bohrmeister bei DEA, er leistete konspirative Arbeit unter den Ausländern bei DEA. Hendrik van den Bosch war Fahrer beim Telegrafenbautrupp, kam viel herum und klebte abends Plakate mit Infonnationen über die aktuelle Lage und die Verbrechen der Nazis. Hendrik Boef (s.o.) arbeitete in der Getränkefirma des Parteifunktionärs Lorenzen am Marktplatz. Er soll sich mit illegalen Machenschaften um die Versorgung der Zwangsarbeiter mit Lebensmitteln verdient gemacht haben.
Der britische Geheimdienst hat die Unterstützung des Widerstandes der Zwangsarbeiter in Deutschland "Trojanisches Pferd" genannt. Über Rundfunk gab er Ratschläge an die ausländischen Zwangsarbeiter in Deutschland: "Sucht euch Privatquartiere, um der Lagerkontrolle zu entgehen! Schreibt viele, viele Briefe, damit die Zensurbehörden unter der Arbeitslast zusammenbrechen. Demoralisiert die Deutschen. Erinnert sie an den Zusammenbruch im Jahr 1918. Heuchelt Panik bei Luftalarm und versucht, die anderen mitzureißen. Nehmt vorsichtig Kontakt auf zu echten Nazigegnem unter den Deutschen!"
(Zitate aus "Heider gottsleider", Kleinstadtleben unter dem Hakenkreuz, von Marie Elisabeth Rehn)