Wenn mittelalterliche Ressentiments lebendig werden....

Die Bronx jubelt. Die Dithmarscher Damen und Herren wollten ein schönes beschauliches, Theaterstück genießen. Der Heider Marktfrieden 2006 sollte in der Kirche weitergefeiert werden. Bänkelsänger, Feuerschlucker, Frauenfesselungen und Scheinhinrichtungen sollten vom Kirchenkreis Norderdithmarschen noch überboten werden durch die Aufführung eines originalen Theaters von 1476. Während sich draußen der Pöbel den Met und das Dithmarscher Bier spritzend in den Hals goss, während Heroldstrommeln, Dudelsäcke und Lautsinger Volkstümliches grölten, wollten Propst Jörn Engler, als Bruder Abt unterwegs, und seine Mitarbeiterinnen die zarten, gehobeneren Töne anstimmen: "Die Bordesholmer Marienklage".

Es hat sich rumgesprochen, der Plan ist nicht aufgegangen, zwischen die feinen Christen ist ein Knallfrosch gefallen. DLZ- Kommentator Stefan Carl hat ihn geworfen: "Sieben Zeilen, in denen der biblische Antijudaismus seine häßliche Fratze zeigt. Doch das sind Zeilen, aus denen die Verachtung erwuchs und wegen derer Pogrome losgetreten wurden. Auch der Hinweis, bei der BM handele es sich um die Darstellung eines Stücks Zeitgeschichte, greift nicht, denn dann können wir in einigen Jahren wieder antisemitische Theaterstücke und Filme aus der NS- Zeit zeigen. Und noch eins: Gerade Angesichts der aktuellen Entwicklung in Nahost erscheint die Aufführung derartiger Textpassagen - verfasst in vorreformatorischer und streng katholischer Zeit - zumindest unreflektiert..

So hat er bekanntes Wissen nochmal zusammengefasst und das nachgeholt, was die Veranstalterin versäumt hatte. Als Absicherung hat er noch eine Quellenangabe gemacht: "Bis in unsere Gegenwart wurde die Beschuldigung (die Juden seien Gottesmörder) in Theologie und Predigt in Kathechese und Brauchtum wiederholt. Quelle: "Antisemitismus, Schoah und Kirche - Studie eines Theologischen Arbeitskreises vom 30. Juni 1995"."

Viele haben darauf geantwortet: Besch von der Brahms- Gesellschaft, ein Pfarrer Im Ruhestand, Kirchenvorstand, Aktives Mitglied der Heider Kantorei und andre. Jetzt ist die Klage zu einem Krächzen über die eigene Schuldabwehr geworden.

Jörn Engler: "(In der Schlussszene) wurde deutlich, dass Juden wie Christen und andere Glaubensrichtungen auch - gemeinsam an der Verrücktheit der Menschheit leiden", so Engler auch vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung in Nahost".

Schon klar, aber nicht am Antisemitismus. Ein hoher Kirchenvertreter hat grade ausgesagt, man müsse die Grabstätte Jesu Christi mit einer Eingreiftruppe sichern.

"Es steht leider außer Frage, dass es einen christlich geprägten Antijudaismus gibt." vermittelte Pastor Dr. Karsten Petersen und entdeckte den Begriff erstmals 1979. Wenn Juden aufgrund von Vorurteilen diskriminiert werden, wird allgemein der Begriff Antisemitismus verwandt. Aber auch vor diesem Jahr gab es schon Judenfeindlichkeit in Dithmarschen und anderswo, wie Marie Elisabeth Rehn in ihren beiden Büchern Juden in Norderdithmarschen und Süderdithmarschen beschrieb. Dass ausgerechnet die Christen davon ausgenommen sein wollen, ist lachhaft. Er wollte abwiegeln und verharmlosen, weil er das wahre Ausmaß des Judenhasses scheut oder es sich mit den Durchschnittschristen nicht verderben will. Sie ahnen, dass im christlichen Innern die Nazi- Propaganda- Machwerke schlummern und auf den Durchbruch warten. Eine wirkliche Diskussion darüber, wie die Kirchen mit ihrer Vergangenheit umgehen wollen, können sie nur selber führen, bis dahin sollten sie Textpassagen, die für uns heute schmerzhaft sind, streichen. Die Ausstellung im Meldorfer Dom vor zwei Jahren war sehr dürftig und nichtmal als Geste geeignet.

St. Jürgen, Kirchenvorstand und Kirchenkreis Norderdithmarschen schießen scharf. Es geht um das Ansehen: "Was schmerzt, ist dass überhaupt die Vermutung aufkommen konnte, die Aufführung selbst sei in der judenfeindlichen Ideenwelt des Mittelalters steckengeblieben. das verunglimpft unseres Erachtens alle Beteiligten und nicht zuletzt den Leiter der Heider Kantorei - Werner Buchin- Zur Zeit in Urlaub. Fakt ist, dass gerade er die Heider Stiftung gegen Extremismus und Gewalt persönlich unterstützt..
Nun ist die Heider Stiftung, die eigentlich keiner haben will, und keiner weiß eigentlich, wer da drin ist und wer nicht, zur Waschanlage für politische Korrektheit geworden. Wenn du mir was tust, sag ichs meiner Stiftung! Schmerzen bereitet nicht der Gedanke daran, was Juden denken, die das Stück angesehen haben, sondern dass die Vermutung eines christlichen Antisemitismus veröffentlicht wurde. "Aufmerksame Leser und Leserinnen stellen sich unweigerlich die Frage, wie Herr Carl zu einer derart unfairen Kritik kommt," schrieb eine Sängerin.

Werner Buchin ist von seinen Aktivitäten zurückgetreten und will Erläuterungen zum Thema Bordesholmer Marienklage abgeben.

Opfer dieser Situation ist die Aufführung: "Einen Schmetterling habe ich hier nicht gesehen", Lieder der Jugendband nach Gedichten der Kinder von Theresienstadt.

Alles hätte so schön werden sollen, Eine perfekte Marienstimme, Doktoren aller Fachrichtungen unter sich, ungestörte Meditation über damals, heiter, fromm, unschuldig, wenn nicht , wenn nicht wieder diese Pogromstimmung aufgekommen wäre. Die Stimmung ist ihnen vermiest worden vom Schreiber Carl.
Wie hätte der Pöbel reagiert? Der ist schon auf dem Weg ins heilige Land. Auf Schiffen und in Gedanken. Von Pogromen wird noch nicht gesprochen.

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