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Jugendliche aus Jerusalem

Militärausgaben, Rüstungsproduktion und Waffenhandel nehmen insgesamt weiter zu / Military expenditure, arms production and international arms transfers all on the rise

SIPRI Yearbook 2006: Armaments, Disarmament and International Security was launched on 12 June 2006 / Das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI legt Jahresbericht 2006 vor

Im Folgenden informieren wir zunächst in einer deutschen Zusammenfassung über die wichtigsten Ergebnisse des am 12. Juni in Stockholm vorgelegten SIPRI-Jahrbuchs. Im Anschluss dokumentieren wir Zusammenfassungen ausgewählter Kapitel aus dem Jahrbuch (englisch):

Eine Kurzfassung des gesamten Berichts (ebenfalls englisch) kann hier als pdf-Datei herunter geladen werden: SIPRI Yearbook 2006 - Summaries



SIPRI Yearbook 2006: Armaments, Disarmament and International Security
Oxford University Press 2006, hardback 888 pp. £80; ISBN 0-19-929873-4 and 978-0-19-929873-0


Mehr Informationen zum SIPRI-Jahresbericht 2006



Zusammenfassung I (nach Agenturmeldungen: dpa, AFP, APA)

Die Rüstungsausgaben sind 2005 weltweit auf 950 Milliarden Euro und damit in den letzten zehn Jahren um ein Drittel gestiegen. Wie das Friedensforschungsinstitut SIPRI im neuen Jahrbuch über Rüstung und Abrüstung mitteilte, standen die USA im abgelaufenen Jahr für 80 Prozent aller zusätzlichen militärischen Aufwendungen.

Diese stiegen insgesamt gegenüber 2004 um 3,4 Prozent und machten pro Kopf der Weltbevölkerung 137 Euro aus. Als Hintergrund für die massiven Ausgabensteigerungen der Vereinigten Staaten nannte SIPRI (Stockholm International Peace Research Institute) am Montag (12. Juni 2006) vor allem die Militäreinsätze im Irak und in Afghanistan.

Danach stand die einzige Supermacht 2005 für 48 Prozent aller Militärausgaben auf der Welt, in weitem Abstand gefolgt von Großbritannien, Frankreich, Japan und China mit einem Anteil von jeweils vier bis fünf Prozent. Trotz der seit Jahren deutlichen Zuwachsraten bei den Militärausgaben in China und Indien als aufstrebenden Mächten hätten diese nach wie vor nur «Bruchteile» von denen der USA aufzuweisen, hieß es in Stockholm.

Bei den Rüstungsexporten errechneten die SIPRI-Experten einen weiter steigenden Trend auf ein Volumen von 35 bis 42 Milliarden Euro (2004). Die wichtigsten Exporteure seit 2001 waren das in dieser Branche wiedererstarkte Russland und die USA mit einem Marktanteil von jeweils etwa 30 Prozent. Es folgten in großem Abstand Frankreich, Deutschland und Großbritannien mit einem Anteil von zusammen 20 Prozent. Deutschland führte nach SIPRI-Angaben in den letzten vier Jahre Militärprodukte für 4,4 Milliarden Euro aus.

Die hundert größten Rüstungskonzerne der Welt verkauften 2004 (letzte aktuelle Zahl; ohne China) im eigenen Land sowie über den Export für 212 Milliarden Euro und steigerten ihren Absatz damit gegenüber 2003 um 15 Prozent. Zwei Drittel der führenden Rüstungsunternehmen sind in den USA und Westeuropa angesiedelt. Stark zugenommen hat nach SIPRI-Angaben der Anteil von Lieferungen aus allen Bereichen der Computerindustrie.

Bei der Zahl der als Krieg (mit mehr als tausend Toten pro Jahr) definierten Konflikte gab das Stockholmer Institut für 2005 mit 17 die niedrigste Zahl seit Ende des Kalten Krieges 1990 an. Dabei wurde kein einziger Krieg mehr zwischen zwei oder mehr Staaten ausgetragen. Die internationale Haltung zum israelisch-palästinensischen Konflikt sowie um die indisch-pakistanische Grenzregion Kaschmir habe sich deutlich verändert, weil in beiden Fällen zunehmend der internationale Terrorismus statt früherer Kolonialkonflikte oder die Rolle von Großmächten ins Blickfeld gerate.

Als weitere Kriegsregionen mit sehr komplizierten Konfliktstrukturen wurden der Irak, die Demokratische Republik Kongo, die sudanesische Provinz Darfur und der russisch-tschetschenische Krieg herausgehoben. (Internet: www.sipri.org)

Die größten Rüstungsexporteure 2001 bis 2005

(Umsätze in Mrd. Euro)

Russland 22,9
USA 22,3
Frankreich 6,8
Deutschland 4,4
Großbritannien 3,1
Ukraine 1,8
Kanada 1,6
Niederlande 1,5
Italien 1,5
Schweden 1,4
Andere 6,7


Quelle: Sipri 2006; nach Frankfurter Rundschau, 13. Juni 2006)

Zusammenfassung II: Die weltweite Konkurrenz zwischen den Rüstungsunternehmen verschärft sich immer mehr

Auszüge aus den Kapiteln "Rüstungsproduktion" (Kap. 9) und "Internationaler Waffenhandel" (Kap. 10) des SIPRI-Berichts (siehe die Zusammenfassungen in englisch weiter unten).

In den 40 Jahren seines Bestehens beobachtete SIPRI den Wandel von der klar getrennten Auseinandersetzung des Kalten Krieges zu einer Welt, die komplizierter geworden ist. Einfache Formeln wie »Nord-Süd« oder »West-Ost«, das US-»Empire« oder die Identifikation von Terrorismus oder Islam als neue Feinde können weder intellektuell noch moralisch befriedigen ...

Die Waffenverkäufe der 100 größten Rüstungskonzerne (»SIPRI Top 100«) verzeichnen seit 2004 einen Zuwachs um 15 Prozent. Damit wird der ansteigende Trend fortgesetzt, der in den späten 1990er Jahren einsetzte. Der Gesamtwert aller Waffenverkäufe der »Top 100« betrug 268 Milliarden Dollar. Konzerne in den USA und Westeuropa trugen am stärksten zu dieser Summe bei: 63,3 Prozent entfielen auf 40 US-amerikanische und 29,4 Prozent auf 36 westeuropäische Unternehmen.

Im Vergleich zur Zeit des Kalten Krieges unterscheidet sich die Rüstungsindustrie heute vor allem auf drei Ebenen:

Strukturell: Der Rüstungssektor erlebt eine zunehmende Konzentration, sowohl national als auch international. Der Anteil der fünf größten Unternehmen am gesamten Waffen-umsatz stieg von 22 Prozent im Jahr 1990 auf 44 Prozent im Jahr 2003.

Technologisch: Zivile Technologie wird für Waffensysteme zunehmend wichtig. Das führt zu einer erhöhten Bedeutung von Informa-tionstechnologie und Elektronikunternehmen im Verteidigungssektor. Immer mehr Zivilunternehmen stehen auf der Liste der Zulieferbetriebe. Die Anforderungen des US-»Krieges gegen den Terror« haben diesen Trend verstärkt.

Zusammensetzung: Die Privatisierung im Verteidigungssektor schafft neue Typen von Unternehmern im Militärbereich. Das wird im Irak offensichtlich, wo Unternehmen Aufgaben erfüllen, die in der Vergangenheit von den Streitkräften übernommen worden wären. Einen großen Wachstumsbereich stellt der Sicherheitssektor dar - der Schutz von Personen und Gebäuden. Einige dieser Aktivitäten können als Erweiterung der Rüstungsindustrie angesehen werden, bei anderen handelt es sich nicht um militärische Dienstleistungen, vielmehr schaffen sie einen Graubereich, in dem sich private Gesellschaften rund um ein militärisches Zentrum gruppieren.

Es ist wichtig zu wissen, daß Waffenhändler weiterhin unverwechselbare Merkmale haben, die sie von anderen Firmen unterscheiden. Trotz der Internationalisierung der Märkte und Lieferketten bleibt die Unterstützung des heimischen Marktes und der heimischen Regierung für sie unverzichtbar.

Der weltweite Rückgang des internationalen Handels mit schweren Waffen wurde im Jahr 2003 umgekehrt. Der Wandel zeigt sich unter anderem im Gesamtwert des globalen Waffenhandels, der auf 44 bis 53 Milliarden Dollar geschätzt wird. Die fünf größten Exporteure des Zeitraums 2001 bis 2005 sind Rußland, die USA, Frankreich, Deutschland und Großbritannien. Zählt man die Exporte der EU-Länder zusammen, stellen sie den drittgrößten Rüstungsexporteur bei schweren Waffen dar. Rußland und die USA erreichen je rund 30 Prozent des weltweiten Umsatzes; im Jahr 2005 haben die fünf größten Lieferstaaten über 80 Prozent des Marktes beherrscht.

43 Prozent der russischen Lieferungen gingen nach China und 25 Prozent nach Indien. China und Indien wurden selbst zu bedeutenden Waffenexporteuren, weil beide erhebliche Fortschritte in ihren technologischen Fähigkeiten gemacht haben. Die USA versuchen, Indien wie auch Japan gegen den wachsenden chinesischen Einfluß in Stellung zu bringen. Dafür scheinen sie bereit zu sein, Indien moderne Waffensysteme zu liefern, einschließlich des Technologietransfers und der gemeinsamen Entwicklung von Waffen. Die vier größten Bezieher von US-Exporten waren Griechenland, Israel, Großbritannien und ägypten.

Das Bemühen um die Erschließung neuer und den Erhalt bestehender Märkte verschärft die internationale Konkurrenz. Einige Regierungen zeigen Ermüdungserscheinungen, was ihren Beitrag zur Transparenz und die Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden der Vereinten Nationen angeht. Die UNO verzeichnet erhebliche Diskrepanzen zwischen den mitgeteilten Export- und Importzahlen. Die Kriterien, nach denen verschiedene Länder entscheiden, welche Waffenkäufe sie melden und welcher Handel als Waffenhandel definiert wird, wechseln von Fall zu Fall. Rüstungskontrolle und Transparenz werden beeinträchtigt, wenn die Tendenz zu einem »kommerziellen Pragmatismus« in der Rüstungsexportpolitik zunimmt und der politische Wille schwindet, Berichte über die eigenen Waffenlieferungen zu erstatten. Daher bleibt es schwierig, die übermittelten Statistiken zu interpretieren.